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"Zwischen Bodenhaftung und Höhenflug"

Der jüdische Philosoph Martin Buber hat eine Geschichte überliefert, die mir wichtig geworden ist: Rabbi Bunam sagte zu seinen Schülern:

Jeder Mensch soll in seiner Jacke zwei Taschen haben und abwechselnd je nach Bedarf in die eine Tasche oder in die andere greifen. In der einen liegt ein Zettel mit den Worten „Das Universum ist um deinetwillen geschaffen worden“, in der anderen ein Zettel mit den Worten „Du bist Staub und Asche“.

Mir scheint, Rabbi Bunam hat die Menschen gut gekannt. Er hat gewusst, dass wir Menschen gefährdet sind, in maßloser Selbstüberschätzung die Bodenhaftung zu verlieren. Gefährdet, selbstverliebt, um uns selbst zu kreisen. Dass wir Menschen dazu neigen, uns über andere zu überheben und auf andere herabzuschauen. Dann ist der Zettel „Du bist Staub und Asche“ heilsam, um uns wieder auf die Erde zurückzuholen.

Er wusste aber auch um die andere Seite: Dass wir Menschen dazu neigen, uns klein zu machen, uns nichts zuzutrauen, unser Licht unter den Scheffel zu stellen oder in tiefe Niedergeschlagenheit zu geraten. Dann ist es an der Zeit, den Zettel aus der anderen Tasche zu nehmen: „Das Universum ist um deinetwillen geschaffen worden“.

Schon die Bibel zeigt uns diese Spannung, in der wir leben: Gott spricht zu Adam: „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“. Das hebräische Wort „Adam“ bedeutet übersetzt Mensch und Erde heißt im Hebräischen „adamah“. Adam, aus Erde geformt, erinnert uns an unsere Erdung, und daran, wohin wir letztlich zurückkehren.

Auf der anderen Seite wird in Psalm 8 über den Menschen gesagt: „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ Dem Menschen wird höchste Würde zugesprochen, er hat die Möglichkeit zu gestalten und die Erde zu verwalten.

Dazwischen müssen wir uns verorten.

Die Frage, wo wir stehen und wer wir sind auf der Welt, in unseren Beziehungen zu anderen und in der Beziehung zu uns selbst, beschäftigt uns ein Leben lang. Ich glaube, eine Antwort auf diese Frage finden wir nur in der Begegnung mit anderen. Wenn andere uns wirklich begegnen, ist das nicht unbedingt angenehm, weil wir hinterfragt werden und auch Kritik aushalten müssen. Manchmal brauchen wir jemanden, der uns eine neue Sichtweise eröffnet, um wieder klarer zu sehen. Oder jemanden, der uns korrigiert, wenn wir einen falschen Kurs eingeschlagen haben. In der Begegnung mit anderen können wir lernen, wann es an der Zeit ist, einen der beiden Zettel in den Taschen zu lesen. Dann ist es gut, jemanden zu haben, der uns auf den Boden zurückbringt und erdet oder wieder aufbaut und Mut macht.

 

 Pfarrer Felix Breitling, Hasloch/Main