Hierzu möchte ich ein Bild aufgreifen: Stellen Sie sich einen gefüllten Geldbeutel vor. Man kann nicht mehr austeilen, als darin ist! Ressourcen sind nur begrenzt vorhanden – so das physikalische Gesetz: Input kann nicht größer sein als Output. Nicht wenige Menschen meinen, dass sich dieses Gesetz auf unsere Menschsein übertragen ließe. Dem ist aber nicht so. Liebe, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Begeisterung, Lebensfreude und Trost sind existenzielle, uns tragende Erfahrungen. Glaubt jemand ernsthaft, dass unser Reservoir an Freundlichkeit abnimmt, wenn wir mit jemandem befreundet sind? Oder: Wenn wir einen Menschen getröstet oder ermutigt haben, gehen uns dann die Worte des Trostes aus für den Nächsten, der Trost braucht?
Das Modell der Physik greift hier nicht. Denn: was passiert beim Trösten? Machen wir hier nicht die Erfahrung, dass wir im Geben beschenkt werden? Also: es wird mehr, wenn man gibt? Der Mensch ist in der Lage reicher zu werden, indem er gibt; und: der Mensch kann ärmer werden, indem er das, was er geben könnte für sich behält und mit seinen vorhandenen Ressourcen geizt. Das ist eine andere Gesetzmäßigkeit, denn: Die Zuwendung zu einer Person / Sache setzt in uns Energien frei und mehr noch: sie zeigt uns, dass wir Gestaltungsfreiheit haben. Wollen wir reicher oder ärmer an Leben werden?
Sich um sich kümmern bekommt so eine völlig neue Dimension. Wenn es uns gelingt diese Zuwendung in ihrer Tiefe zu verstehen und anzunehmen, kümmern wir uns um uns. Wir entdecken dann: In der Welt ist viel mehr an Gelingen und Wohlwollen, an Sinn und Lebensbejahung, als die vielen Resignierten behaupten. Für mich ist die Landkarte des Lebens noch nicht zu Ende entdeckt. Ich will trotz allem ja zum Leben sagen. Mit dieser Zuwendung kümmere ich mich um mich und spüre immer wieder: das Leben trägt!
Dr. Peter Müller
Fachakademiedirektor