Andererseits: An Wallfahrtsorten gibt es Wände voller Tafeln z.B. mit dem Satz: „Maria hat geholfen!“ Und das in ergreifenden Lebensgeschichten von Unfällen, Kriegserfahrungen, schwierigen Operationen. Man kann richtig neidisch werden! Lohnt sich Beten doch?
Seit Menschen beten, machen sie die Erfahrung, dass Gebete scheinbar nicht ankommen. Dann wurde vielleicht nicht genug oder nicht andächtig genug gebetet? Wer sich auf solche Erklärungen einlässt, kann in einen Teufelskreis von Leistungsdruck und Selbstvorwürfen geraten.
Die Bibel selber macht das Beten zum Thema. In der Bergpredigt heißt es: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet“ (Matthäus 7,7f). Klingt gut! Aber…
Bestimmt ist es kein Zufall, dass es nicht heißt: „Um was ihr bittet, das wird euch gegeben!“ Sondern: „Bittet, dann wird euch gegeben!“ Was genau, bleibt offen. Diese Leerstelle spricht für die Weisheit der Bibel! Denn Beten funktioniert nicht nach den Gesetzen von Input und Output. Jesus macht die Zusage, dass das Beten nicht ins Leere läuft – nicht mehr und nicht weniger!
Jesus selber geht genau durch diese Erfahrung. Vor seiner Verhaftung betet er ganz menschlich: Ein schlimmes Ende möge ihm erspart bleiben! Aber in seinem Tod bewahrheitet sich die Bergpredigt: Eine Tür geht auf. Ganz anders als erwartet! Darauf bauen Christen. Auf die Feier dieses Geheimnisses bereiten sie sich in diesen Wochen vor Ostern vor.
Mit dem Beten kommt es oft anders als erwartet! Da bittet jemand, die Chemotherapie möge ihm erspart bleiben – und ihm wachsen Kräfte zu, dass er durch die Chemotherapie hindurch kommt. Da bitten Verwandte, die Mutter möge nicht sterben – sie selber kann in Frieden gehen; und nach ihrem Tod kann die Familie dankbar sein für das Geschenk ihrer Lebensgeschichte.
Beten ist menschlich und darum durchaus auch: Gott um etwas bitten. Wenn wir beten, stellen wir uns bewusst vor das Geheimnis Gottes, das unverfügbar bleibt und nicht manipulierbar ist. Beten heißt letztlich: Gott um Gott bitten. Er hat noch ganz andere Möglichkeiten, als wir ahnen. Wer betet, überlässt sich und sein Anliegen Gott, lässt los, übt sich in der Kunst der Gelassenheit. So formuliert es das Vaterunser: Dein Wille geschehe!
Lohnt sich Beten? Ja – ganz anders als erwartet…!
Dr. Hildegard Gosebrink, Rektorin des Martinushauses