„Ich habe dazu keine feste Meinung, es gibt ja so viele verschiedene Ansichten."
Was ist Weihnachten für Sie? Das Fest der Familie? Das Fest des Friedens? Ein Fest des Schenkens? Oder das Fest der Liebe? Diese Namen haben alle etwas mit Weihnachten zu tun, laufen aber zugleich Gefahr, den christlichen Sinn zu verkürzen. Wir dürfen Weihnachten nicht auf die zwischenmenschlichen Beziehungen reduzieren. Dass wir uns gegenseitig beschenken, spiegelt nur wieder, dass Gott uns Menschen durch Jesus reich beschenkt. Die „heilige Familie" in ihrer Suche nach Herberge, in ihrer Armut und ihrer Flucht vor dem mordenden König Herodes rühren in uns tiefe Sehnsüchte an und lassen Parallelen zu heutigen Ereignissen anklingen. Trotzdem geht es bei Weihnachten zunächst nicht um ethische Appelle, dass wir uns um mehr Frieden und Nächstenliebe bemühen sollen. Das alles ist wichtig, aber es geht in erster Linie um die Gottesliebe und den Frieden, der von seiner Menschwerdung ausgeht.
Gott hat in Jesus ganz unverhüllt sein Gesicht gezeigt. Er wurde ein Mensch aus Fleisch und Blut wie du und ich und hat sich auf diese Weise begreifbar gemacht. Das ist eine im Grunde ganz fremde Botschaft, die die Bibel verkündet. Doch genau wegen dieser einzigartigen Grenzüberschreitung Gottes reden wir Christen auch angesichts einer Welt voller Leid und Ungerechtigkeit mit gutem Grund von der Liebe Gottes. Manche Menschen empfinden die Rede von einem liebenden Gott als Hohn und Spott angesichts des Chaos und des Terrors unserer Zeit. Ich kann das verstehen, sofern man sich auf die Lektüre der Tageszeitung beschränkt. Doch wer auch die Bibel liest, dessen Blick wird auf das gelenkt, was Gott in Jesus Christus getan hat inmitten einer Welt, die damals nicht minder von Elend geschüttelt war. „So sehr hat Gott diese Welt geliebt, dass er seinen Sohn hingab", heißt es im Neuen Testament. Liebe wird hier als Hingabe verstanden und konsequent von Gott so ausgelebt. Er gibt sich mitten in das Chaos hinein. Weil er die Welt liebt, wurde er in Jesus Mensch. Um uns zu helfen. Nehmen wir das wahr?
Till Roth, Dekan in Lohr a.Main