Die kleine Palme schüttelte und bog sich. Sie versuchte, die schwere Last abzuwerfen. Es war vergebens; zu fest saß der Stein in ihrer Krone.
Da krallte sich der junge Baum tiefer in den Boden. Er bohrte seine Wurzeln so weit in die Erde, bis er tief unten eine verborgene Wasserader erreichte.
Kraftvoll stemmte die Palme ihren Stamm und ihre Krone gegen die steinharte Last, so dass sie gewaltig wuchs und über jeden Schatten hinausragte. Das Wasser aus der Tiefe und die Sonne aus der Höhe machten aus der jungen Pflanze eine königliche Palme.
Nach vielen Jahren kam Ben Sadok wieder in die Oase. Er wollte wissen, wie seine Tat gewirkt hatte. Aber er fand keinen niedergedrückten Baum.
Da senkte die stolzeste und größte Palme ihre Krone aus der Höhe, zeigte den Stein und sagte: „Ben Sadok, ich möchte dir danken. Die Last, die du mir gegeben hast, machte mich stark und kraftvoll.“ Ben Sadok ging beschämt nach Hause.
Liebe Leserin, lieber Leser, die Geschichte lädt ein, auf das eigene Leben zu schauen. Vielleicht gab es bei Ihnen in früheren Jahren im familiären Umfeld, in der Schule oder im Beruf auch einen solchen Ben Sadok? Ich zum Beispiel könnte von einem erzählen. Hoffentlich haben Sie dann wie ich die Erfahrung gemacht, dass so ein Stein wie in der Erzählung zwar schwer ist, aber Wachstum letztlich nicht verhindern kann. Es ist gut und heilsam, bei allen Lasten, die wir tragen, auch auf das „Wasser aus der Tiefe“ und die „Sonne aus der Höhe“ zu schauen - auf Erfahrungen, die uns stark gemacht haben. Ich begegne in meiner Beratungsarbeit jeden Tag Menschen, die in ihrer Vergangenheit mehr als nur einen Stein aufgeladen bekommen haben. Mit ihnen gemeinsam das in den Blick zu nehmen, was „trotz Allem“ wachsen, reifen und stark werden lässt, ist sehr lohnend.
Peter Michaeli,
Leiter der Ehe-, Familien- und Lebensberatung Aschaffenburg