Aschaffenburg (POW) Zirka fünf Meter ragen die Betonwände in die Höhe, ganz oben schließen sich schmale Kippfenster an, gerollter Stacheldraht glitzert von außen durch die Scheiben. Von der Decke hängt ein Adventskranz, vor dem Altar steht eine Krippe mit dem Jesuskind: In der Mehrzweckhalle der Justizvollzugsanstalt (JVA) im Aschaffenburger Stadtteil Strietwald feiert Bischof Dr. Franz Jung am Montagnachmittag, 23. Dezember, mit Gefangenen und Bediensteten der JVA einen weihnachtlichen Gottesdienst.
Die Feier hat fast etwas Familiäres: Rund 35 Männer kommen in die kleine Halle, wo sonst unter anderem Tischtennis gespielt wird. Für den Bischof ist es der zweite Besuch in der JVA Aschaffenburg. Insgesamt 115 Gefangene leben derzeit dort. Wegen kleinerer und mittlerer Delikte seien sie zu Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren verurteilt, berichtet Anstaltsleiter Regierungsdirektor Frank Dickmann. Dazu kommen einige Untersuchungshäftlinge. Zum 21. Dezember seien diejenigen Gefangenen entlassen worden, die ihre Strafe normalerweise noch bis 6. Januar absitzen hätten müssen. „Sie dürfen Weihnachten zuhause feiern.“
Ein knappes Drittel der Gefangenen der JVA kommt zum weihnachtlichen Gottesdienst mit Bischof Jung. Zu den Gästen beim Gottesdienst zählt der Aschaffenburger Landtagsabgeordnete und frühere bayerische Justizminister Professor Dr. Winfried Bausback. „Engel auf den Feldern singen“ erklingt, Mitglieder der Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien, die in der Gefängnisseelsorge wirken, und weitere Musiker begleiten den Gesang instrumental. Der Bischof erinnert an die dunklen Tage kurz vor Weihnachten mit den längsten Nächten des Jahres. „Gott kommt gerade in der dunkelsten Nacht des Jahres als kleines Kind zu uns.“
Gefängnisseelsorger Pater Corradino di Sante, Schwester Nancy Tomasini und Diakon Peter Negrau tragen die weihnachtlichen Lesungen aus dem Buch Jesaja und dem Titusbrief sowie das Weihnachtsevangelium nach Lukas vor. Dann predigt Bischof Jung zu den Gefangenen. „Das Göttliche Kind als Fürst des Friedens lädt uns ein, mit uns selbst und dem eigenen Leben Frieden zu schließen.“ Weil Gott jeden einzelnen Menschen annehme und ihm vergebe, könne es auch gelingen, sich selbst anzunehmen und zu vergeben. Es bringe nichts, darüber zu sinnieren „Was wäre, wenn…“. Die Uhr lasse sich nicht zurückdrehen, erklärt der Bischof. Das sei der Rat des Jesuskinds, das in der Bibel unter anderem als wunderbarer Ratgeber tituliert werde.
„In der Heiligen Nacht ergeht die Einladung, Frieden zu schließen mit der eigenen Familie und den enttäuschten Erwartungen und Ansprüchen.“ Diese Einladung schließe mit ein, Frieden auch mit den Menschen zu schließen, denen man wehgetan habe. „Der Herr gibt uns Zeit, uns immer neu zu ihm hinzukehren, und er freut sich über jeden, der kommt – und sei es noch zur letzten Stunde wie der Schächer am Kreuz.“
Anstelle vorgelesener Fürbitten ermutigt der Bischof die Gefangenen, dem Jesuskind die eigenen Anliegen vorzubringen. Fast alle Männer kommen nach vorne, nehmen an der Krippe aus den Händen des Bischofs die kleine Holzskulptur entgegen und halten inne. Wie auch während der Predigt herrscht hierbei eine intensive Stille im Raum.
Am Ende der Messe singen alle „Stille Nacht“. Manch einer kratzt sich verlegen im Nacken oder an der Wange. Danach warten wieder die Zellen. Um die Feiertage etwas angenehmer zu machen, serviert die JVA über Weihnachten festliches Essen. Die Gefangenen verabschieden sich am Ausgang der Halle vom Bischof, der jedem die Hand schüttelt und „Frohe Weihnachten!“ wünscht. Zusätzlich gibt es für jeden eine Weihnachtskarte, die Bischof Jung selbst gestaltet hat. „Danke, dass Sie heute bei uns waren“, sagt einer der Männer.
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mh (POW)
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