Die Sensibilisierung für das Phänomen der „Winterdepressionen“ bestätigt diese Einschätzung. Doch mein Wunsch, gut in die dunkle Zeit zu starten, will ermutigen, in die düsteren Stunden ganz bewusst hineinzugehen, sie nicht gleich mit heller Beleuchtung zu vertreiben, den Wechsel der Jahreszeiten weiterhin zu erleben, die Melancholie beim Spaziergang durch den verlassenen Park auch gerne einmal auszukosten: Es ist lohnend, zu spüren, was mir die Seele sagen will, wenn sie melancholische Gefühle schickt. Beim Blättern in einem Wissenschaftsmagazin stieß ich dieser Tage auf den Begriff : „Lichtverschmutzung“. Gemeint war hier die Belastung von Mensch, Natur und Kosmos durch immer mehr künstliche Lichtquellen und die wissenschaftlich nachweisbaren Folgen davon. Es wurde auch berichtet, dass inzwischen in einigen Großstädten bewusst auf übertriebene Beleuchtung z.B. zu Werbezwecken verzichtet werden soll. Mir drängt sich noch ein weiterer Gedanke auf, wenn ich den Begriff „Lichtverschmutzung“ höre : Es entsteht eine Verschmutzung, eine Vernebelung unserer Gefühlswelt, wenn wir versuchen, immer gleichbleibend gestimmt zu sein. Es macht unheimlichen Druck, wenn wir versuchen, sommers wie winters gleich leistungsfähig, gleich munter, erfolgreich und möglichst noch attraktiv dazu zu bleiben. Vieles geht verloren, wenn wir immer versuchen, alles, was uns ein wenig traurig stimmen könnte, gleich „wegzumachen“. Der gesunde Mensch verträgt ein wenig Leerlauf, ein bisschen Melancholie. Wir brauchen „Brachzeiten“ und „Hochzeiten“, unser Organismus ist darauf eingestellt. In einem Lied heißt es : „Ich will gegen das Geleucht der Lichter meinen Dunkelheiten trauen“. Dieser Gedanke ist mir sehr sympathisch. Klar, ich brauche schon eine gewisse Grundhelligkeit, um mich ins Dunkle zu wagen, ich kann nur dann mutig meine Schatten suchen, wenn ich um das Helle in meinem Inneren weiß, wenn das Licht im Normalfall die nötige Kraft hat zu strahlen. Doch alles zu seiner Zeit ! Jugendliche und Kinder lieben Halloween nicht nur deshalb, weil es ein Modetrend aus USA ist, sie lieben es, weil man da mit der Angst, dem Grusel, der Dunkelheit spielen darf. Unbewusst testen Sie aus, wieviel sie sich zutrauen können und lernen dabei ihre eigenen Grenzen kennen. Ich finde es gut, wenn wir in der dunklen Jahreszeit dem natürlichen Dunkel eine Chance geben : Die kleinen Kerzenlichter scheinen heller, sprechen uns viel stärker an, wenn der Rest der Raumes im Dunkeln liegt. Und die Dunkelheit kann tröstlich sein, sie schenkt Stille und Achtsamkeit, denn wer im Finsteren hastet, der fällt auf die Nase.
Also trauen Sie sich doch mal, das elektrische Licht auszulassen und nicht gleich ein Lichtermeer aus Kerzen zu entzünden, spüren Sie, wie sich das Dunkel am Abend langsam ausbreitet und heißen Sie es willkommen: Eine Zeit der Ruhe liegt vor Ihnen, in der sich viel ereignen kann.
Starten Sie gut in die dunkle Jahreszeit !!
Eva Meder-Thünemann