Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Mit Luther gegen die Dummheit

Postfaktisch. Das Wort des Jahres 2016. Hätte es nicht besser das Unwort sein sollen?

Denn was sich vielleicht gelehrt anhört, ist nichts anderes als der Versuch einer Zeitenwende. Der amerikanische Präsident macht es der Welt vor. Fakten? Interessieren ihn nicht, die Gefühlslage des amerikanischen Volkes oder besser derjenigen, die ihn gewählt haben, ist entscheidend. Muslime oder Lateinamerikaner? Gehören gefühlsmäßig nicht zu Amerika. Also werden sie nicht mehr ins Land gelassen und es wird eine Mauer gebaut, die Mexiko aber bitteschön selbst bezahlen soll. Politische Torheiten dieser Art erleben wir derzeit jeden Tag live im Fernsehen. Und leider gewinnen auch bei uns in Europa postfaktische Meinungsmacher an Boden.
In einem gewissen Sinne „postfaktisch" war auch die Lage im Deutschland Martin Luthers. Die damalige Kirche bestimmte mit ihrem Machtanspruch jeden erdenklichen Winkel menschlicher Existenz. Und die Begründung dafür? Keine. Jedenfalls nicht aus der Bibel. Und so konnten Kirchenfürsten schalten und walten, wie sie wollten.
Für mich ist Martin Luther ein mutiger Kämpfer für die Wahrheit. Oder modern gesprochen: Für die Fakten. Teilweise war er zwar noch tief im Mittelalter verwurzelt. Kämpfte gegen den Teufel, als wäre dieser tatsächlich der Leibhaftige. Doch in seinen wichtigsten Anliegen bereitete er der Moderne den Weg. Durch aufmerksames Bibelstudium kam er zur Einsicht, dass Gott die Menschen nicht erbarmungslos straft, sondern sie durch seinen Sohn Jesus Christus von allem Bösen erlösen will. Er glaubte also nicht einfach naiv an das, was die Mächtigen für richtig hielten, sondern wollte selbst beurteilen können, was Gott will und wie er ist.
Das hatte Konsequenzen: Die Menschen sollten selbst lesen können und durch eigenes Bibelstudium schlau werden. Die Kirche hatte ihr Deutungsmonopol verloren. Bildung für alle, das Gewissen des Einzelnen als letzte Instanz und in der Folge davon der Schutz von Minderheiten, die Trennung von Staat und Kirche, die mühsame Suche nach Wahrheit und damit letztlich der Weg hin zu den modernen Naturwissenschaften – das alles geht direkt oder indirekt auf die Impulse der Reformation zurück.
Ein postfaktisches Zeitalter würde mir große Angst machen. Und deswegen setze ich auf die Einsicht vieler Dummheiten nicht einfach nachzuplappern. Bauchgefühl? Schön und gut, doch das wichtigste ist der Verstand. Den hat der liebe Gott uns gegeben, damit wir ihn benutzen.

Rudi Rupp, Evangelischer Dekan