Als Referent war dazu den Psychologen und Theologen Dr. Ruthard Ott eingeladen. Dieser ist zum einen Mitglied des Würzburger Arbeitstaabes rund um den neu benannten Missbrauchsbeauftragten Dr. Klaus Laubenthal. Zudem arbeitet er im Team des Recollectio-Haus in Münsterschwarzach, eine Einrichtung, die unter anderem Priestern und Ordensleuten in psychischen Krisen beiseite steht.
Im Rahmen dieser Tätigkeit hat Ott immer wieder auch mit Tätern zu tun. Dabei konnte er erfahren, wie schwer es ist, neben der strafrechtlichen Verfolgung ihres Vergehens noch einen sinnvollen und von Barmherzigkeit bestimmten Umgang mit diesen Menschen zu entwickeln. „Pädophilie gilt bislang als nicht therapierbar“, so der Psychologe. Von daher scheint ein weiterer Einsatz in der Seelsorge als nicht angemessen. Auf der anderen Seite gerieten Täter, die aus dem Dienst entlassen werden, aus dem Blick und könnten dann erst recht zu Wiederholungstätern werden. Ott erscheint es deshalb immer noch als die beste Lösung, sie aus Arbeitsbereichen, die neu in Versuchung führen könnten, heraus zu nehmen und sie einer regelmäßigen Beobachtung zu unterstellen. Dabei musste er allerdings einräumen, dass man bei der Überprüfung der schuldig Gewordenen sehr schnell an personelle Grenzen stößt.
Die Frage, warum jetzt gerade Priester und Ordensleute im Mittelpunkt der Enthüllungen stehen, beantwortete Ott mit dem Hinweis auf den moralischen Anspruch, den die Kirche erhebt. Auch wenn Missbrauch in allen gesellschaftlichen Schichten zu finden sei, müssten sich gerade die kirchlichen Mitarbeiter an den strengen Maßstäben der eigenen Institution messen lassen. Dazu käme, dass es durchaus auch innerkirchliche Strukturen und Verhaltensweisen gäbe, die das Verdrängen und Vertuschen von Fehlverhalten begünstige. „Mehr Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit im Umgang mit der Sexualität täte der Kirche gut“, so Ott.
Auch wenn das Zölibat nicht direkt mit der Pädophilie in Zusammenhang gebracht werden darf, müsse darauf geachtet werden, dass die nicht verheirateten Seelsorger neben ihren amtlichen Aufgaben die eigenen sozialen und spirituellen Bedürfnisse nicht zu kurz kommen lassen. „Zölibatär lebenden Männer und Frauen brauchten genauso wie jeder andere Mensch eine emotionale Beziehung zu anderen Personen auf Augenhöhe“ riet Ott. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass sie diesen Mangel „auf ungute Weise“ ausleben. Ott gab zu bedenken, dass der Zölibat auf Grund der notwendigen höheren Anstrengungen im Bereich der Beziehungspflege bei manchen Seelsorgern vielleicht mehr psychische Energie binde, statt er für die zu leistenden Aufgabe freisetzt.
In der anschließenden Diskussion kritisierten die Aschaffenburger Seelsorger das mangelhafte Krisenmanagement der Kirche. „Die Menschen erwarten ein großes Zeichen, dass der Größe der bekannt gewordenen Schuld wenigstens annähjernd gerecht wird“, sagte der Dekan Stefan Eirich in diesem Zusammenhang. Als Beispiel führte den großen Klagegottesdienst auf, den die katholische Kirche in Österreich im Stephansdom in Wien gefeiert hat. Dort waren sowohl Opfer als auch innerkirchliche Kritiker mit eingebunden.
Der Dekan resümierte am Ende des Treffens, dass es in den allermeisten Fragen rund um dieses Thema noch keine wirklichen Antworten gäbe. Aber gerade deshalb rief er dazu auf, sich dem Thema zu stellen und mit den Menschen in den Pfarreien darüber ins Gespräch zu kommen. Hier geschehe auch schon so einiges. „Viele versuchen, aktiv mit dem Thema umzugehen, greifen es in Predigten auf, versuchen Hintergrundinformationen zu geben“, so der Dekan.
Auch das Aschaffenburger Martinushaus will das Thema noch einmal aufgreifen: am 1. Juli um 19.30 Uhr kommt der Leiter des Münsterschwarzacher Recollectio-Hauses Wunibald Müller und hält einen Vortrag zum Thema: „Verschwiegene Wunden – sexuellen Missbrauch in der Kirche verhindern.“