Lieber Josef,
ich erinnere mich an ein typisches Bild von dir in der Grotte von Greccio bei Assisi, die von Franziskuspilgern besucht wird. Maria hat ihr Baby Jesus im Arm und reicht ihm die Brust. Abseits in der Ecke kauerst du, Josef, den Kopf in die Hände gestützt. Du wirkst so, als ob du mit dem Geschehen nichts zu tun hast. In unserer katholischen Tradition warst du nur wichtig, wenn es um das Arbeiten und Nähren ging. In einer Litanei wirst du mit den Eigenschaften keusch, starkmütig, geduldig und gehorsam beschrieben. Du bist „Beschützer der Jungfrauen" und „Zierde des häuslichen Lebens".
Ist das nur das alte Bild, wie Kirche die Männer gerne hätte? Brav und still, pflichtbewusst und natürlich nicht zu sehr auf Sex bedacht? Da fehlt viel von dem, was Männer (und auch Frauen) für männlich halten: Die meisten Männer wollen stark und mutig, nicht nur starkmütig sein. Und keusch schon gar nicht.
Ein Lied im Gotteslob ist dir gewidmet. Da wirst du als „Nährvater" beschrieben. Verschwiegen wird, dass deine Familie nicht nur aus dir, Maria und Jesus bestand. Da waren noch die anderen Kinder, mindestens zwei Schwestern und vier Brüder von Jesus, die die Bibel mit Namen nennt: Jakobus, Joses, Judas und Simon (Mk 6,3/Mt 13,55). Lieber Josef, mit dieser Rasselbande muss ganz schön was los gewesen sein im Haus!
Vor einigen Wochen bin ich den einstündigen Weg von deinem Heimatdorf Nazareth nach Sepphoris, der damaligen Hauptstadt Galiläas, gegangen. Bauhandwerker wie du fanden dort Arbeit und Brot. Jesus wird ab seinen Jugendjahren oft dabei gewesen sein. Was habt ihr unterwegs erzählt? Was hast du Jesus beigebracht?
Jesus muss dich als einen Vater erlebt haben, der ihm geholfen hat, ein ganzer Mann zu werden. Ein Mann, der nicht nur zugewandt und zärtlich, sondern auch kraftvoll und fordernd war. Einer, der richtig zornig wurde, wo Menschen untergebuttert und ausgegrenzt wurden. Einer, der mit Gott im Herzen und Rücken Mächtigen aufrecht entgegentrat.
Lieber Josef, ich bin überzeugt, dass Maria, deine starke Frau, einen starken Mann an der Seite hatte. Und ich will dir einfach mal danke sagen, dass du mir und anderen Männern darin ein Beispiel bist: Partner sein, Verantwortung übernehmen, Kinder ins Leben begleiten, mutig sein und auf Gott vertrauen, egal was kommt.
In diesem Sinn, lieber heiliger Josef: Bitte für uns!
Burkhard Fecher, Gemünden
Pastoralreferent; Ehe-, Familien und Lebensberater