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Kulturarbeit für eine offene Gesellschaft

„Wer liest denn schon ein Papstbuch?“ Diese Frage stand etwas provozierend als Titel über einer Podiumsdiskussion im Martinushaus. Der Veranstalter, die Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen öffentlichen Büchereien in Stadt und Landkreis Aschaffenburg, ging es um das Profil der kirchlichen Büchereiarbeit.

Moderiert wurde der Abend von deren geistlichen Beirat Dekan Stefan B. Eirich.  Auf dem Podium waren Vertreter der kirchlichen und der öffentlichen Büchereiarbeit sowie eine ortsansässige Buchhändlerin vertreten.

Von Weiten betrachtet würde man vermuten, dass sich in den kirchlichen Bibliotheken vor allem Literatur aus dem religiösen Segment finden lässt. Die Bücher, die von den Oberhäuptern der katholischen Kirche persönlich geschrieben sind, standen bei der Diskussion als Synonym für diesen Bereich. Zum einen wurde sehr schnell deutlich, dass die Annahme, man fände vor allem Spirituelles in den Regalen der kirchlichen Einrichtungen, ein großer Irrtum ist. Die Bandbreite der Medien ist im Gegenteil sehr groß und reicht von der Belletristik über die Lyrik bis zum Kinderbuch und vom Hörbuch bis zur DVD. Zum anderen konnte auf die in der Überschrift gestellte Frage von den Diskussionsteilnehmer keine eindeutige Antwort gegeben werden. Während die Leiterin der Dörrmorsbacher Bibliothek angab, dass sie zwei Werke von Johannes Paul II vor kurzem aussortiert hat, weil sie kein einziges Mal ausgeliehen waren, berichteten andere Einrichtungen von gegenteiligen Erfahrungen. Das religiöse Literatur jedoch grundsätzlich gesucht wird, konnten fast alle bestätigen. Buchhändlerin Annegret Boros gab an, dass dieses Segment sich bei ihr im Laden am viertstärksten verkauft. Auch die Leiterin der Aschaffenburger Stadtbibliothek Petra Reuter-Bulach berichtet von einem großen Interesse bei ihrer Kundschaft, wobei die sich bei weitem nicht auf christliche Literatur beschränken. Auffallend groß sein seien die Ausleihzahlen im bereich religiöses Kinderbuch.
Der Leiter des katholischen Medienhauses St. Michaelsbundes Dr. Erich Jooß merkte an, dass nach einem jahrelangen Boom speziell die Papstbücher zur Zeit nicht mehr so häufig zur Hand genommen werden. Aber die kirchlichen Büchereien hätten sowieso einen Auftrag, der weit über die Bereitstellung religiöser Literatur hinaus geht. „Ihre Arbeit geht an die Grenze zwischen Kirche und Welt“, rief Dr. Jooß den ehrenamtlichen Mitarbeitern in den Büchereien zu. Der Leiter des Würzburger Medienreferates Karl-Peter Büttner ergänzte, dass hier von der Kirche Kulturarbeit für eine offene Gesellschaft gemacht wird. „Man darf dabei auch nicht vergessen“, so Büttner, „das letztlich jedes Buch religiös sein kann, ohne dass dies auf den ersten Blick erkennbar ist“. Manfred Ulrich, Mitarbeiter der kirchlichen Bücherei in Mömbris wies zudem darauf hin, dass ein vielseitiges Angebot wichtig sei, um offen zu bleiben für ein breites Spektrum von Besuchern.

Wie breit dieser Dienst tatsächlich angelegt ist, zeigt die Statistik. In Stadt und Kreis Aschaffenburg gibt es insgesamt 38 kirchliche Büchereien. In diesem Bereich liehen sich im Jahr 2009 über 15tausend Leser rund 230.000 Medien aus. Das Angebot, Menschen ortsnah und preisgünstig eine vielfältige Auswahl an Lektüre anzubieten, wird von über 400 ehrenamtlichen Mitarbeiter ermöglicht. Während die Podiumsteilnehmern das Engagement in diesem Bereich durchgehend als wichtig bezeichneten, kam in der Diskussion der Ruf nach mehr Anerkennung für die geleistete Arbeit auf. Vor allem der 50%ige Einbruch bei den Zuschüssen des bayerischen Staates für diese Arbeit mache sich stark bemerkbar bei der Aktualisierung des Bestandes. Dazu käme, dass in den Pfarreien durch die Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen die Büchereiarbeit an den Rand gedrängt würden und sie deshalb um ihr Überleben fürchten müsse. Büttner machte deutlich, dass die Arbeit von Seiten des Würzburger Bistums nach wie vor hoch geschätzt würde. Es sei sogar gelungen, eine Kürzung der diözesanen Zuschüsse zu verhindern. Mit Blick auf die neu gebildeten Pfarreiengemeinschaften fügte er hinzu, dass momentan die Idee von Netzwerken zwischen den Büchereien verfolgt wird, die der besseren Unterstützung ihrer Arbeit dienen soll. Dr. Jooß, dessen Michaelsbund rund 1200 Büchereien in Bayern begleitet, riet zudem, sich immer wieder auf Ortsebene ins Gespräch zu bringen und auch Vertreter in die gewählten Gremien zu schicken. Hier widersprach ihm Ullrich, der das ehrenamtliche Engagement bereits an der Grenze des Leistbaren sieht.

Am Ende gab es noch einmal Tipps von den Profis. Sowohl Frau Reuter-Burlach als Frau Boros empfahlen den Mitarbeitern der kirchlichen Büchereien, sich ein Leitbild zu geben und dann zu sehen, wie es sich unter den vorhandenen Rahmenbedingungen umsetzen lässt. Dazu nannten die Podiumsteilnehmern abschließend ein paar grundsätzliche Ziele. Sie reichten von „Medienkompetenz in einer immer komplexer werdenden Informationsgesellschaft vermitteln“ bis zum ganz grundsätzlichen christlichen Auftrag „die Liebe Gottes weiter geben“.

 


Dekan Stefan Eirich bat die Teilnehmer, Bücher zu empfehlen, die ihnen selbst eine geistliche Dimension erschlossen hätten. Die Ergebnisse:

Annegret Boros, Inhaberin der Buchhandlung Pfeiffer: „Winter in Maine“ von Gerard Donovan (Verlag Luchterhand, 17.95 Euro)
Petra Reuter-Bulach, Leiterin der Aschaffenburger Stadtbibliothek: „In der Mitte des Lebens“ von Margot Käßmann, (Verlag Herder, 16,95 Euro)
Karl-Peter Büttner, Leiter des Medienreferates Würzburg: „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling (Piper-Verlag, 9,90 Euro)
Dr. Erich Jooß, Rektor des St. Michaelbundes: „Die Hoffnung fährt schwarz“ (St. Michaelsbund, 10 Euro)
Manfred Ullrich, ehrenamtlicher Büchereileiter in Mömbris: „Jakobswege in Deutschland“ von Jürgen Kaiser (Verlag Theiss, Konrad, 36 Euro)
Stefan B. Eirich, Stadtdekan in Aschaffenburg: „Muttersterben“ von Michael Lentz (Fischer Taschenbuch, 8,90 Euro).