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Karikaturen

Neulich erzählte jemand von einer Feier, zu der er eingeladen war. Als besonderen Gag hatte der Gastgeber einen Karikaturisten bestellt, der von jedem Gast ein Bild zeichnete. Der Spaß war riesengroß, denn jeder erkannte mit höchstem Vergnügen die Karikatur der anderen. So wie Wilhelm Busch einst reimte:

„Dummheit, die man bei and'ren sieht, wirkt meist erhebend auf's Gemüt". Die eigene Karikatur allerdings erkannten die meisten nicht, oder sie wollten sie nicht erkennen, weil eine solche Zeichnung ja auch die Fehler und Schwächen überzeichnet. Wer will schon gerne bloß gestellt werden?
Dennoch wäre es vielleicht reizvoll, wenn ein neutraler Beobachter uns mal karikaturistisch überzeichnen würde. Es wäre hilfreich, wenn wir nicht nur unsere äußeren Macken, sondern auch unsere inneren Fehlentwicklungen aufgezeichnet bekämen. Vielleicht würden wir durch die Überzeichnung plötzlich merken, dass wir tatsächlich eine Karikatur unserer selbst geworden sind: Ganz weit haben wir uns von dem weg entwickelt, wie wir uns selbst gerne sehen. Vielleicht wollen wir ja gütige Menschen sein, liebevoll und hilfsbereit unseren Mitmenschen begegnen, verständnisvoll zuhören und einfühlsam Anteil nehmen, und irgendwie gelingt es uns nicht. Zu schnell kreisen die Gedanken doch wieder nur um uns selbst. Ja, wir sind ein Zerrbild dessen geworden, wie Gott uns einst geschaffen und gedacht hatte. Es täte tatschlich gut, öfter einmal eine Karikatur von sich selbst zu betrachten, damit einem die Augen geöffnet werden für die Charakterzüge, die mit der Zeit entgleist sind. Der Apostel Paulus bringt es auf den Punkt, wenn er im Neuen Testament im Römerbrief (Kap. 7,19) bekennt: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich". Paulus hatte scheinbar den nötigen Abstand zu sich selbst, um dies zu erkennen.
Ich schätze die Menschen, die nicht verbohrt sind. Ich schätze die Menschen, die nicht immer von der Richtigkeit des eigenen Verhaltens überzeugt sind, sondern die über sich lachen können. Ich schätze die Menschen, die eingestehen, dass sie an dieser oder jener Stelle zur Karikatur ihrer selbst geworden sind. „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung", sagt der Philosoph. Der Apostel Paulus überdies erkennt seine Erlösungsbedürftigkeit. Er erfährt, dass der Glaube an Jesus Christus einen Menschen davon befreit, perfekt sein zu müssen. Weil wir bedingungslos von Gott geliebt und angenommen sind, dürfen wir es zulassen, dass wir auf manches Zerrbild von uns selbst aufmerksam gemacht werden. Und dann können wir vielleicht sogar über uns selbst lachen.
Die bevorstehende Fastenzeit möge uns den nötigen Abstand von uns selbst und dann auch Selbsterkenntnis bringen.

Pfarrer Bernd Töpfer
Marktheidenfeld