Manche kommen damit gut zurecht, andere weniger. Schon Kinder und Jugendliche spüren heute diesen Leistungsdruck. Wer sich ständig gefordert fühlt, bei dem entwickeln sich leicht Versagensängste oder sogar Depressionen. Es ist eine Katastrophe, wenn sich dieses Grundgefühl, immer wieder eingestuft und gemessen zu werden, auf den Glauben an Gott überträgt. Angst vor einem solchen nur fordernden, auf gute Ergebnisse abzielenden Gott ist die Folge, wenn nicht sogar Hass oder Ablehnung. Es gehört zur großen Verantwortung der Kirchen, in ihrer Verkündigung und Lehre rüberzubringen, dass die Bibel keine Angst vor Gott macht. Auch die Aussagen, dass Gott ein unbestechlicher Richter ist und wir für unsere Taten vor ihm verantwortlich sind, sind eingebettet in die Selbstoffenbarung Gottes als Schöpfer, Erhalter und Erlöser der Welt und unseres Lebens. „Gott ist die Liebe“ ist eine eindeutige Beschreibung des Wesens Gottes in der Bibel. Alles, was er tut und sagt, geschieht immer aus Liebe. Gott rastet nie aus oder ist überzogen streng.
„Du bist wer, darum schaffe etwas!“
Neben der Tatsache, dass Gott gnädig ist und uns damit – ganz anders, als wir es in unserer Gesellschaft gewohnt sind – nicht nur und exakt das zukommen lässt, was wir verdienen, sondern uns, wenn wir darum bitten, neue Chancen einräumt, verhält es sich bei dem Gott, den die Bibel bezeugt, genau umgekehrt zu unserer Leistungsgesellschaft: Dort müssen wir uns erst beweisen, bevor wir eine Zulassung erhalten. Gott aber gibt zuerst. Er schenkt uns das Leben, stiftet eine Umgebung, in der wir leben können und versorgt sind, und lässt uns viel Gutes zu kommen. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern setzt auch Kräfte frei, die eigenen Gaben und Fähigkeiten gerne einzusetzen. Jede Erzieherin und jeder Lehrer weiß gut, wie entscheidend wichtig das in der Kleinkindphase wachsende Urvertrauen und gesunde Selbstbewusstsein als Voraussetzung für Lernen und Leistung sind. Und jeder guter Ausbilder fördert die Einsatzfreude und auch die Leistungsfähigkeit seiner Auszubildenden durch Lob und Zuspruch. Die biblische Vorstellung von dem, was wir aus unserem Leben machen, lautet so: „Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin leben sollen.“ Das ist ziemlich schwer zu verstehen, wenn man darüber nachdenkt. Ich für meinen Teil kann es noch nicht richtig begreifen, aber ich ahne, wie schön diese Lebensauffassung ist.
Ich hoffe, dass Sie inmitten von all dem, was von Ihnen verlangt wird, immer wieder den Blick auf das finden, was Sie haben und was Ihnen gegeben ist.
Till Roth, Dekan in Lohr a.Main