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Kreuzwort vom 20. März 2021

Ist Geben seligen denn Nehmen?

Geben ist seliger denn Nehmen, so heißt es in der Bibel (Apostelgeschichte 20,35). Das erscheint einleuchtend. Wer gibt, kann sich auf die Schulter klopfen und wirkt großzügig, selbstlos und reich. Anders als das Nehmen genießt das Geben einen guten Ruf, obwohl beide ja untrennbar zusammen gehören wie zwei Hände oder wie zwei Seiten einer Medaille. Aber die Seite des Nehmens kommt schlechter dabei weg.

Nehmen wird eher mit Eigennutz oder Bedürftigkeit in Verbindung gebracht. Wer nimmt, fühlt sich vielleicht in der Schuld und zu Gegenleistungen verpflichtet. Daher fällt es manchen schwer, etwas anzunehmen. Freigiebigkeit gilt als eine gute Eigenschaft – ein freies Geben ohne Hintergedanken. Ein wertschätzendes Äquivalent für die andere Seite – wie etwa Freinehmigkeit – gibt es leider nicht. Dabei ist das freie Nehmen mindestens genauso wichtig wie das freie Geben. 

Vor seinem Tod wird Jesus einmal freigiebig bedacht und zeigt dabei eine erstaunliche Fähigkeit, etwas für sich anzunehmen (Markusevangelium, Kapitel 14): Eine Frau salbt sein Haupt mit Öl, dessen Wert dem Jahreslohn eines Arbeiters entspricht. Seine Anhänger können das nicht ertragen: Das Öl hätte man den Armen geben können. Aber Jesus nimmt dieses gewaltige Geschenk, das mit so viel Liebe verbunden ist, frei und ohne Hintergedanken an: Lasst sie in Ruhe, sie hat mir etwas Gutes getan. Jesus gesteht sich zu, dass er die Liebe und die Fürsorge braucht, die ihm gerade gegeben wird und dass er es wert ist, obwohl er dafür nichts zurückgeben kann. 

Jeder Mensch lebt auch vom Nehmen. Es ist die Art, wie wir nehmen oder geben, die selig machen kann oder unselig ist. Geben und Nehmen können uns auf vielfältige Weise verbinden: In Eigennutz: eine Hand wäscht die andere, dafür gibt es genügend Beispiele; im Handel, in Abhängigkeit, in Ausbeutung, in Gerechtigkeit, in Achtung, in Liebe, in Freiheit. Die interessante Frage ist: Welche Beziehung wird dabei hergestellt?

Um selig zu werden, sollten wir in jedem Falle nicht nur lernen, frei zu geben, sondern auch lernen, manches frei zu nehmen: froh, erleichtert, überrascht, dankbar vielleicht, ja, aber ohne Verpflichtung, ohne Gegenleistung, ohne immer quitt werden zu müssen. Und wir sollten nie vergessen: Im Geben und im Nehmen sind wir niemals nur auf einer Seite, hier finden sich Hände, die zusammengehören. 


Margit Binz, 
Pfarrerin für Ökumene und interreligiösen Dialog im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald
margit.binz@ekhn.de