Sie liest man mit einer ganz anderen inneren Beteiligung. Liebesbriefe, so scheint es, sind der Zeit enthoben, sind Worte, in denen ein Stück Ewigkeit wohnt.
Die Bibel ist so etwas wie ein Liebesbrief Gottes an uns Menschen. Darin wird uns berichtet, dass Gott uns liebt, und was er alles für uns getan hat. Solche Worte sind zeitlos und haben Bestand. Über dem Portal unserer Friedenskirche steht mit großen Lettern: „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit" (1. Petrusbrief, Kapitel 1, Vers 25). Bibelworte sind zeitlos, aber sie müssen für jede Zeit neu übersetzt werden. Der Reformator Martin Luther hat dies getan. Aufgrund seines intensiven Bibelstudiums erkannte er, dass das Heil allein durch Jesus Christus kommt. Es wird uns allein aus Gnade gegeben. Luther wandte sich scharf gegen die Vorstellung, man könne sich die ewige Seligkeit bei Gott durch menschliche Leistung verdienen oder mit Ablassbriefen erkaufen. Am 31. Oktober 1517 heftete er seine 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg, um seine Erkenntnis zur Diskussion zu stellen: „Allein aus Gnade werden wir vor Gott gerecht." Seitdem Luther dann auch die Bibel ins Deutsche übersetzt hat, lesen die Menschen, nicht nur die Gelehrten, in der Heiligen Schrift und ringen miteinander um die Wahrheit. Das ist auch gut so. Jede Generation steht ja vor neuen Fragen und Herausforderungen. Da muss die Bibel immer wieder neu antworten. Darum muss auch die Kirche immer wieder neu werden, damit sie die ewig bestehende Botschaft in einer je aktuell verständlichen Form in Wort und Tat verkündigt. „Ecclesia semper reformanda" hat Luther einst gesagt: „Die Kirche muss immer wieder reformiert, neu in Form gebracht werden". Dann bleibt der Glaube lebendig. Um dies zu verdeutlichen, feiern evangelische Christen am 31. Oktober das Reformationsfest, zur Vergewisserung und zur Ermutigung, dass Kirche sich immer weiterentwickeln, immer wieder neu werden und immer wieder neue Lebendigkeit zeigen soll. Denn wie heißt es? „Tradition ist nicht die Weitergabe der erloschenen Asche sondern das Weiterreichen einer lebendig flackernden Flamme". Wenn Kirche sich dessen bewusst ist, dann kommt sie immer wieder neu in Form und bleibt in Form.
Pfarrer Bernd Töpfer,
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Marktheidenfeld