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IHS in Aleppo

Sie haben richtig gelesen. Im Folgenden ist von der Abkürzung IHS und nicht vom IS in Aleppo die Rede.

Zum Leidwesen aller Bewohner dieser Stadt und ihrer Umgebung hatte der IS mit 8000 Kriegern Aleppo ob seiner Brutalität in Angst und Schrecken versetzt und eine Flüchtlingswelle von Christen und Muslimen ausgelöst. Seit dem 22.12.2016 ist diese zweitgrößte Stadt Syriens wieder befriedet.
IHS, so hört man landläufig, ist eine Abkürzung für „Jesus Heiland Seligmacher". Der letzte Titel Jesu „Seligmacher" hat mir wegen des Wörtchens „machen" nie gefallen. Viel mehr kam mir die aus frühchristlicher Zeit stammende Deutung „Jesum Habemus Socium" – „Wir haben Jesus zum Bundesgenossen" entgegen.
Ich bin diesem Bekenntnis auf merkwürdige Weise ausgerechnet im Trümmerfeld von Ostaleppo begegnet.
Mit meiner Gastfamilie lief ich durch diesen zu 70 Prozent zerstörten Stadtteil Aleppos und hielt vor einem mehrstöckigen ausgebombten Haus inne. Leere gähnte uns an, denn das Haus hatte weder Fenster noch Türen. In einer dunklen Ecke saßen drei kleine Kinder auf einem Geröllhaufen. Dichter Staub hing an ihren Kleidern. Einem der Kinder gab ich Bonbons mit der Bitte um Weitergabe an die beiden anderen. Als das Mädchen die Bonbons nahm, blickte ich in ihre dunklen von Trauer und Leere gezeichneten Augen. Das ganze Trümmerfeld Ostaleppos schaute mich in diesen Mädchenaugen an. Der Vater kam mit einem Lachen dazu und hielt eine etwa einen halben Meter lange über und über mit Staub bedeckte Bronzetafel in der Hand. Er hatte sie wohl aus der nahe gelegenen völlig zerstörten Kirche der Maroniten ausgegraben. Sie stellte das Abendmahl Jesu am Gründonnerstagabend dar. Jesus, so konnte ich vage erkennen, hielt in der rechten Hand ein rundes Brot hoch. Ich nahm etwas Spucke, wischte den Staub von der Hostie und las darauf: „IHS".
Mitten in diesem äußeren und inneren Chaos eines Stadtteils leuchtete plötzlich ein Trostwort auf: „Wir haben Jesus zum Bundesgenossen". Mitten in dieser Leere und gottverlassenen Welt taucht ein zentrales Bekenntnis christlichen Glaubens auf, das manche vor Ort als Zynismus des Himmels oder aber als tatsächliche Teilhabe von Christen, Sunniten, Schiiten, Alawiten, Wahabiten u.a. am Schicksal Jesu von Nazareth deuten könnten. Auch ihn hatte man zur Ruine gemacht und mit Staub und Erde überdeckt. Alle Leidenden dieser Welt sind, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, mit seinem Schicksal verbunden. Er ist ihr Bundesgenosse im Leid.

Peter Spielmann
Pastoraler Mitarbeiter in Obernau