Und doch, sie gehen eigene Wege.
Gut so!
Was aber wenn diese Wege zu Krieg und Hunger führen, zu Vertreibung und Flucht? Zu Toten über Toten, überflüssig wie ein Kropf? Zur Zerstörung der Welt, die ich ihnen gegeben habe? Wie kann das sein? Das darf nicht sein! Wie kann ich kommen: Sie zu nähren, sie zu heilen, sie zu erhalten durch meine Liebe?
Durch welche Tür kann ich ankommen, und sie so rein werden lassen, wie mein Mond in der Nacht und so kraftvoll wie meine Sonne am frühen Morgen? Ich weiß, was ich tun werde: Ich werde eine der ihren zu meiner Tür machen. Eine Frau. Durch ihren Körper in ihr Leben treten. Ich werde das Baby sein, das in ihrem Bauch erwacht. So werden sie Zeit haben, Zeit sich vorzubereiten. Neun Monate Erwartung und Hoffnung. Vier Wochen des Advents vor der Ankunft meines Sohnes.
Wenn ich dann in ihre sichtbare Welt eintrete, wird meine Stimme ihnen so lieblich sein, dass sie für mich singen werden. „Stille Nacht, heilige Nacht ..." Mein Seufzen, mein kindliches Weinen wird ihre Seele zärtlich werden lassen. Wenn ich sie anlächle werden sie gar nicht anders können, als zurück zu lächeln. Für eine Weile werde ich sie sich an mir, dem Säugling, erfreuen lassen.
Dann werde ich wachsen. Ich werde starke Arme entwickeln, ihnen zu dienen und sie zu schützen. Meine Stimme werde ich wiedergewinnen, meine trompetenhafte Stimme. Ich werde sprechen oben auf dem Berg und in meinen Taten. Blinde werden sehen, Lahme gehen, Taube werden hören, die Toten stehen auf: Ich werde das Evangelium verkündigen. Alle sollen es hören. Alle sollen rein werden. Alle sollen leben.
Und, ich werde sie in meine Arme schließen. Auch Dich. Auch Dich werde ich in meine Arme schließen.
Ich weiß: Durch die Kraft meiner Zuneigung wirst auch Du Dich erheben, wie der Mond in der Nacht und strahlen, wie die Sonne am Mittag. Und endlich, endlich werde ich Dir, auch Dir, eine Wohnung geben; eine Wohnung, die unzerstörbar ist, ewig. Ich liebe mein Volk. Bald schon werden es alle sehen. Schau! Es hat schon begonnen. Kannst Du es entdecken?
Ich habe mich aufgemacht, Dir zu erscheinen!
Heinrich Spittler