Ich nehme zunehmend Tendenzen wahr, das Thema ins Private zu verbannen. Das gesellschaftliche Konfliktpotential sei zu hoch, die Meinungen gingen zu weit auseinander. Doch ist es eine Lösung, religiöse Themen aus dem öffentlichen Raum auszuschließen? Führt das zu mehr Frieden? Ich plädiere für ein Verständnis von Religionsfreiheit, nach der jeder seinen Glauben leben darf – nicht nur im Privaten. Selbstverständlich in Wahrung der anderen Grundrechte.
Gott – natürlich ein maximal großes Thema. Weil es ums Ganze geht. Um die Welt. Um den Sinn. Darum viel mehr als nur ein „Thema“. Man kann sagen: Es gibt so viele Verständnisse von Gott wie es Menschen gibt. Aber lässt sich nicht mehr sagen? Haben alle nur ein Fünkchen Wahrheit in sich? Müssen wir alle Ansichten als gleich (un)zutreffend nebeneinander stehenlassen? Es stimmt schon: Zurückhaltung ist geboten: Wenn Gott der ist, der alles umfasst und ewig ist, dann kommen wir mit unserem Verstehen schnell an unsere Grenzen. Rainer Maria Rilke hat das wunderbar in Worte gefasst: „Du bist so groß, dass ich schon nicht mehr bin, wenn ich mich nur in deine Nähe stelle. Du bist so dunkel, meine kleine Helle an deinem Saum hat keinen Sinn.“
Die Christen haben letzten Sonntag das Trinitatisfest gefeiert, das Fest der Dreieinigkeit Gottes. Der gemeinsame Glaube aller Christen, dass Gott drei Personen und doch zugleich ein einziges Wesen sei, drückt aus, dass Gott für uns unfassbar bleibt. Zugleich will er mehr sein als nur eine menschliche Vorstellung von Gott: Er versteht sich als Antwort auf Gottes Selbstoffenbarung. Das trinitarische Bekenntnis, erstmals vor 1.700 Jahren auf dem Konzil in Nizäa verbindlich formuliert, beansprucht ein zutreffender Ausdruck dessen zu sein, wer Gott ist. Nun, feste Lehrsätze erfreuen sich heute geringer Beliebtheit. Man möchte sich nichts vorgeben lassen. Richtig ist: Der Glaube an Gott lässt sich nicht überstülpen. Jeder darf und soll Zeit haben, sich selbst für Gott zu öffnen und auf seine Selbstoffenbarung in der Bibel zu hören. Der Glaube an Gott, den Schöpfer und Vater, an den Herrn und Erlöser Jesus Christus, und an den Heiligen Geist, darf wachsen und wird sich im Leben als tragfähig erweisen.
Till Roth, Pfarrer und Dekan an der Auferstehungskirche in Lohr a.Main