Ein älteres Ehepaar. Wobei: älter ist eine leichte Untertreibung. Sie feiert an diesem Tag den 99. Geburtstag, ihr Ehemann hat schon 102 Jahre erleben dürfen. Die beiden sind seit über 70 Jahren ein Paar. Es begann als Brieffreundschaft noch während des 2. Weltkrieges. Mitten in den Trümmerjahren nach 1945 der Aufbruch in die gemeinsame Zukunft. Wenn sie von ihrem Leben erzählen, überwiegt bei weitem die Dankbarkeit. Viele ehemalige Schüler halten bis heute den Kontakt zu ihrem Lehrer und der Frau an seiner Seite. Erinnerungen werden bewahrt, zu Zeiten hervorgeholt und mit anderen geteilt. Ich kenne das Paar schon lange. Aus dem Gottesdienst am Sonntag. Bei Geburtstagen und anlässlich vieler Hochzeitsjubiläen war ich zu Gast. Und immer spürte ich, dass ich wirklich willkommen war. Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Lächeln so viel Offenheit und Wärme in sich trägt, dass es selber zu einer Herberge wird, in die man einkehren darf. Ja, das gibt es. Nun sitzen wir da am Tisch, die beiden dicht nebeneinander in ihren Rollstühlen – ein kleiner Tribut an die Jahre des Lebens. Der Sohn ist da, Freunde und Begleiter. Es wird viel erzählt und gelacht. Wir trinken Rotwein. Der offensichtlich auch im hohen Alter noch schmeckt. Plötzlich legt das Geburtstagskind ihre Hand auf die Hand ihres Mannes. „Ich habe Dich noch genauso lieb wie vor 70 Jahren“, bekennt sie dem Gefährten ihres Lebens. Die beiden schauen sich an, es ist ein unglaublich berührender Moment. Nicht nur ich wische mir Tränen aus den Augenwinkeln. „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen“, schreibt der Apostel Paulus. Was könnte die Bedeutung dieser Worte besser und tiefer erschließen als ein Leben wie das dieser beiden Glaubenden, Hoffenden und Liebenden?
Michael Nachtrab, Pfarrer in Partenstein.