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Die Spinne in der Badewanne

Arme kleine Spinne! Da hat sie sich in meiner Badewanne selbst gefangen und versucht nun verzweifelt, an den glatten Wänden hochzukrabbeln. Es wird ihr nicht gelingen, aber das weiß sie nicht und deshalb versucht sie es immer wieder. Dass ich am Rand der Wanne stehe und gerade eben geplant habe, diese zu putzen und somit das kleine Insekt mit der Brause durch den Abfluss zu befördern,weiß sie auch nicht.

Aber die kleine Spinne hat Glück, denn sie kann dem Strahl ausweichen und ich kann sie in letzter Sekunde vor dem sicheren Tod durch Ertrinken retten. Dazu brauche ich nur ein Glas und ein Blatt Papier. Weil der Spinne aber der große Überblick fehlt,empfindet sie diese Aktion erst recht als bedrohlich: Eingesperrt unter dem Glas versucht sie hektisch, sich irgendwie zu befreien. Während ich das ganze Ensemble zur Tür bringe, höre ich mich selbst sagen: „Ganz ruhig, du weisst es noch nicht, aber du bist gerettet."
Ach, ist das ein schöner Satz! Als das kleine Insekt auf seinen sechs Beinen längst über alle Berge geflitzt ist, hängt er mir noch nach. Wenn die Spinne meine Sprache verstehen könnte, hätte sie es mir wohl geglaubt, als sie in ihrem engen Glasgefängnis saß? Oder hätte sie meinen Spruch für zynisch oder bestenfalls naiv gehalten? Und doch krabbelt sie jetzt völlig unbeschwert durch Sträucher oder versteckt sich in Mauerritzen und findet nach dem Schock wieder in ihr normales Spinnenleben zurück. Ich hatte Recht gehabt, denn ich hatte den Überblick, den sie in diesem Moment nicht haben konnte.Und wie ist das mit mir, in meiner kleinen Menschenwelt? Sieht mir vielleicht auch von irgendwoher ein Gott zu, wie ich mich abmühe, greift er am Ende schon ein, wenn ich das Gefühl habe, dass alles nur noch immer schlimmer wird? Und sagt er vielleicht sogar die großen Worte zu mir: „Ganz ruhig, du weisst es noch nicht, aber du bist gerettet!"?
Der christliche Glaube sagt nichts anderes, in der Bibel lesen wir oft ähnliche Sätze, besonders schön finde ich die Aussage Jesu:
„In der Welt seid ihr in Bedrängnis, aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt."(Joh 16,33).
Das sind starke Worte, aber soll ich das den Menschen sagen, die mit Problemen zu mir kommen? Können diese Worte Sinn schenken, wenn ein Mensch sich dieses Wochenende mitten im Stadtfesttrubel einsam und verloren fühlt, wenn er traurig an vergangene Zeiten denkt, in denen er oder sie auf solchen Festen fröhlich feiern konnte? Hilft es den Angehörigen der Opfer des Hurrikan Katrina, der vor genau 10 Jahren durch den Süden der USA gefegt ist und mindestens 1000 Menschenleben forderte? Helfen diese Worte mir selbst, wenn mich meine großen und kleinen Sorgen erdrücken wollen?
An einen großen Gott, der über mir steht, so wie ich über der kleinen Spinne in der Badewanne, mag ich nicht mehr glauben. Aber daran, dass alles, was lebt untereinander und mit dem Schöpfer verbunden ist. Deshalb mache ich mir ja auch die Mühe, ein kleines Insekt zu retten. Die heilsamen Worte Jesu mag ich deshalb nicht so gern „von oben herab" verkündet bekommen, ich möchte sie in meinem Herzen hören. Und so, aus meinem Herzen heraus, möchte ich auch da sein für die Menschen, die mir ihre Sorgen erzählen.
Unvermutet wächst mir auf diese Weise manchmal auch in meinen eigenen Angelegenheiten echter Trost zu: Wenn ich die uralten Sätze der Bibel mit jedem Atemzug in mich aufnehme, dann beginnen sie ganz im Stillen, ihre Kraft zu entfalten.
In meiner Badewanne fangen sich immer wieder mal Spinnen. Warum nicht daran denken, wenn ich mal wieder mit Glas und Papier meine kleine Rettungsaktionen starte? „Du weisst es noch nicht, aber du bist gerettet".

Eva Meder-Thünemann,
Gemeindereferentin für Citypastoral