Auch Gäste aus dem benachbarten Odenwaldkreis und dem Bereich Darmstadt-Dieburg nahmen an der Veranstaltung teil.
Die Frage „Wer hat Schuld?“ schwingt in vielen Einsätzen der Hilfskräfte mit. Sie wird nach Verkehrsunfällen genauso gestellte wie bei Einsätzen auf Grund von Suizid oder Arbeitsunfällen. Schuld hat dabei nicht nur eine juristische Seite, oft geht es um zutiefst menschliche Fragen, die Betroffene mit Fremd- und Selbstvorwürfen konfrontieren. Sehr eindrücklich schilderte zum Beispiel ein Feuerwehrmann die Situation eines Arbeitsunfalls, bei dem der Kollege, dessen Fehler zum Tod eines Mitarbeiters geführt hat, während der einstündigen Rettungsaktion anwesend war. Es war nachvollziehbar, dass zum Schrecken des Unglücks noch die Belastung durch das schuldig geworden sein dazu kommt. In anderen Fällen kann es aber auch zu ganz irrationalen Selbstvorwürfen kommen, zum Beispiel wenn Eltern sich nach dem selbst verursachten Verkehrsunfall ihres Kindes vorwerfen, nicht genügend aufgepasst zu haben.
Pfarrer und Notfallseelsorger Hans Burkhardt referierte bei der Tagung über die verschiedenen Dimensionen des „schuldig geworden seins“. Neben der rechtlichen Seite hat ein Vergehen oder Unterlassen immer auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu den Mitmenschen, zum eigenen Gewissen und für Christen auch zu Gott. „Von der Schuld befreien kann ich mich nicht selber, dazu braucht es ein Gegenüber“, so Burkhardt. Besonders schwierig wird es, wenn mit dem Gegenüber nicht mehr gesprochen werden kann. Die „Entschuldung“ kann dann nicht vollzogen werden und, so führte Burkhardt aus, dass das eigene Gewissen kann für viele Menschen oft zum ungnädigste Richter werden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde heraus gearbeitet, dass man zum einen dem schuldig Gewordene genauso die benötigte Hilfe gewähren muss wie dem unschuldigen Opfer. Hilfskräfte haben neutral zu sein, auch wenn es in der konkreten Situation manchmal schwer fällt. Die Frage von Schuld und Unschuld muss von anderen geklärt werden und haben am Unfall- oder Tatort zunächst nichts zu suchen. Gleichzeitig dürfen die Rettungskräfte vor Ort nicht das Phänomen der Selbstvorwürfe unterschätzen, die im Extremfall auch zu Selbstmordgedanken führen können. Zeit haben, Gespräche führen, manchmal aber auch einfach nur miteinander schweigen sind die wichtigsten Mittel, die bei der Aufarbeitung solcher Problemlagen helfen können. Dies ist vor allem die Aufgabe der Notfallseelsorger, die zudem die Möglichkeit haben, auch ein vom Glauben getragenes Rituale der Entschuldung anzubieten.
Seit einigen Jahren lädt das Team der Notfallseelsorge am Untermain zu diesem Fortbildungstag ein. Neben der Auseinandersetzung mit dem Thema ist es den Veranstaltern wichtig, die verschiedenen Berufsgruppen untereinander ins Gespräch zu bringen und damit die Arbeit bei Einsätzen vor Ort zu erleichtern. Rund 38 Mitarbeiter der evangelischen und katholischen Kirche engagieren sich freiwillig in den Notfallseelsorgebereichen Alzenau, Aschaffenburg, Obernburg und Miltenberg. Sie wurden im Jahr 2009 über einhundert Mal von Rettungsdiensten, der Feuerwehr oder der Polizei angefordert.