Jeder von uns bekommt die Glitzerwelt der Promis und die heile Welt der Werbung auf der einen Seite vorgeführt – und auf der anderen Seite gleichzeitig die Nachrichten, die uns ununterbrochen das weltweite Elend präsentieren. Es ist unbestreitbar: Die Realität des Leidens ist ein Teil dieses unvereinbaren Gegensatzes. Und wenn wir nun nicht nach außen, sondern nach innen schauen und über unser eigenes Leben nachdenken, entdecken wir denselben Gegensatz: Keiner von uns lebt nur auf der Schattenseite oder nur auf der Sonnenseite des Lebens.
Darum gibt es auch für heutige Menschen immer Anknüpfungspunkte, wenn wir als Kirche vom Leiden und Sterben Jesu Christi reden. Die Passionsgeschichte ist jedoch nicht nur eine Verlängerung der Tagesschau und des Heute Journals. Natürlich kann für Menschen, die eine schwere Zeit durchleben, schon allein die Tatsache hilfreich sein, dass in der Kirche das Thema Leiden nicht beiseitegeschoben wird. Doch es geht hier um viel mehr als darum, dass die Kirche Mitgefühl zeigt. Wenn wir immer wieder von der Passion Jesu als einem Mittelpunkt des christlichen Glaubens reden, dann deshalb, weil sie nicht nur eine Botschaft vom Leiden, sondern zugleich eine frohmachende Botschaft ist. Gott zeigt hier seine ganze Liebe zu uns Menschen. Er sieht unser Lieben und Leiden, unser Lachen und unser Weinen. Und weil er unsere unerfüllte Sehnsucht in all dem sieht, fuhr er aus seiner Haut: Er wurde in Jesus Mensch – ein verletzlicher und sterblicher Mensch. Das war und ist sein Weg, um uns zu begegnen und unsere Sehnsucht zu stillen. Unser Suchen und Sehnen wird erfüllt, wenn wir Gott begegnen; und wer der Geschichte von Jesu Leben, Leiden und Sterben aufgeschlossen zuhört, der wird Gott darin finden. Dem wird sich die große Barmherzigkeit und Liebe Gottes aufschließen – eine Erfahrung, die uns neu über die Schattenseiten und Sonnenseiten des Lebens, auch unseres eigenen Lebens, denken lassen wird. Zu solchen tiefen, frohmachenden Erfahrungen sind Sie gerade in der Passionszeit mit ihren Gottesdiensten und besonderen kirchlichen Angeboten eingeladen.
Till Roth
Dekan in Lohr am Main