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Die Kriegsenkel - Generation und die Verdrängung

Zeitweise hätte man eine Stecknadel fallen hören können, als die Journalistin und Buchautorin Sabine Bode am Montag, 20.6. in Aschaffenburg aus ihrem neuen Buch: "Kriegsenkel" vorlas. Sie tat dies mit feinfühliger und gleichzeitiger sachlicher Hand, so, als würde einem ganz vorsichtig ein Weg gezeigt, wie Erinnerungsarbeit gehen könnte. Die Menschen im vollbesetzten Saal des Martinushauses lauschten zum Teil interessiert, zum Teil betroffen und berührt. Eingeladen hatten die Bahnhofsmission, die Telephonseelsorge, der Kirchenladen und die Citypastoral.

Die zahlreichen Besucherinnen und Besucher bestätigten das Vorbereitungsteam in der Idee, die Kriegsspuren in unserer Gesellschaft und in den Familien seien gerade heute und jetzt ein brisantes Thema. In der Tat: Was Familien über Generationen lähmt, in ihrer emotionalen Bindung beeinträchtigt und noch in der „Enkelgeneration“ (hier meint Frau Bode die Generation der um 1960 Geborenen) Auswirkungen auf das Lebensgefühl hat, das hatte man lange nur in der Psyche der jeweils betroffenen Personen gesucht. Journalistinnen wie Frau Bode, die den Mut hatten, genauer nachzufragen, gelang es eine Verbindung herzustellen zwischen den Erlebnissen der Eltern und Großeltern im 2.Weltkrieg und der Unsicherheit und Verlorenheit der nachfolgenden Generationen.
Doch wie soll man nun mit diesem Wissen umgehen? Ist es nicht erst recht erschütternd und besorgniserregend, wenn man nun weiß, was die Kriegstraumata über Generationen anrichten? Noch dazu auf dem Hintergrund der aktuellen Situation, wenn  unzählige traumatisierte Menschen in unser Land flüchten?
Frau Bode schaffte es, trotz dieser ernsten und berechtigten Sorgen eine Portion Mut zu verbreiten: Genau die „Kriegsenkelgeneration“ sei es, die sich jetzt für Flüchtlinge stark mache, die Empathie entwickele, die sich engagiere und dazu beitrage, dass die Flüchtlinge mit ihren Traumata nicht alleine gelassen werden. Empathie sei gerade jetzt erst möglich, wo die unmittelbare Betroffenheit nachlässt und das Schweigen und Verschweigen des eigenen Leides der Vergangenheit angehören. Schuld- und Schamgefühle verhinderten bei den Kriegskindern die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leid, sie führten dazu, dass man nur noch „nach vorne“ schauen durfte, dass man das Gefühl für das eigenen Leid verdrängen musste. Diese Verdrängung hatte ihren Preis in einer Erstarrung, Sabine Bode spricht von einem „Nebel“ in dem die Kinder dieser traumatisierten Eltern verzweifelt nach etwas suchten, woran sie sich festhalten konnten. Sabine Bode wird nicht müde, „ihr Thema“, das letztlich unser Thema ist, in Vorträgen, Büchern und Veröffentlichungen zur Diskussion zu bringen. Mit ihrer warmherzigen und zugleich sachlichen Art schaffte sie es jedoch, die Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem Gefühl nach Hause zu schicken, dass es möglich ist, die alten Wunden zu heilen, zunächst bei sich selbst durch Aufarbeitung des Themas, aber auch gesellschaftlich durch bürgerliches Engagement.

Eva Meder-Thünemann