Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Kirchenjubiläum Dettingen

Deutschlands erster moderner Kirchenbau

Dettingen am Main (POW) Ein außergewöhnlicher Kirchenbau feiert 100. Jubiläum: Die Pfarrkirche Sankt Peter und Paul in Dettingen am Main (Landkreis Aschaffenburg) wurde 1923 von den später berühmten Architekten Dominikus Böhm und Martin Weber errichtet und von dem Hanauer Maler Reinhold Ewald mit monumentalen Fresken ausgestaltet. „Entstanden ist ein einzigartiges Gesamtkunstwerk des deutschen Expressionismus und nichts weniger als die erste moderne Kirche in Deutschland“, sagt Michael Pfeifer, Referent für Liturgische Bildung beim Bistum Würzburg.

Mitten in der Hochinflationszeit wagte ein junger kunstsinniger Pfarrer einen Kirchenbau, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hatte. Während der basilikale Grundriss noch traditionell wirkt, ist schon der Portalturm ein echter Hingucker. Mit seinem umlaufenden Zinnenkranz und der bekrönenden Fiale verleiht er dem Bau eine burgartige Anmutung. Im Inneren bleiben konstruktive Details sichtbar: „Die dünnen Eisenbetonstützen werden nicht mehr – wie einst üblich – verkleidet, aus Beton entstehen neue Gewölbeformen und durch die geschickte Anordnung von Fenstern entsteht eine mystische Raumstimmung“, sagt Pfeifer.


Die großformatigen Wandbilder zum Kreuzweg und Marienleben schuf Reinhold Ewald. Sie überschwemmen die Wände mit einer Farbenflut, weiten den Raum und umfassen ihn gleichzeitig. Figuren sind expressiv gelängt und verzerrt, Farben oft mehr Ausdrucksmittel als Spiegel des Natürlichen. „Gegen alle Widerstände der bischöflichen Baubehörde hielt der auftraggebende Pfarrer an dem Maler fest. Ewald konnte den Zyklus 1927 vollenden, musste allerdings einige Korrekturen vornehmen. Ende der 1960er Jahre versetzte er die Bilder wieder in den Originalzustand. 2005 erfolgte schließlich eine umfassende Restaurierung der Fresken“, weiß Pfeifer.


Ewalds Gemälde gehören zu den eindrucksvollsten Arbeiten des deutschen Expressionismus. Seine Werke hingen bis zur Kampagne gegen „entartete Kunst“ der Nationalsozialisten in vielen großen deutschen Museen. Anders als andere Expressionisten seiner Zeit, hat sich Ewald nicht mehr von diesem Einschnitt in seine Künstlerbiographie erholt. Und nur in Dettingen bekam der deutsche Expressionismus die Gelegenheit, eine Kirche auszumalen. Vor allem dieser Zyklus macht die Dettinger Kirche einzigartig. „Die Kirche im Karlsteiner Ortsteil Dettingen zählt zu den bedeutendsten Bauwerken des 20. Jahrhunderts hierzulande und ist in der Region dennoch nicht sonderlich bekannt“, beklagt Pfeifer.


Festprogramm zum Jubiläum

Das Jubiläumsjahr startete bereits vor dem ersten Advent mit der Präsentation einer Schrift über die neuesten Forschungen zur Geschichte der Altäre in der Kirche – nach zwei großen Publikationen zur 75-Jahr-Feier und zum Abschluss der Restaurierung der „Dettinger Passion“ nun eher ein kleinformatiges Heft.


Einen ersten Höhepunkt der Feierlichkeiten bildet eine künstlerische Lichtinstallation, die Details der Architektur und Malerei in Szene setzen wird. Die ganze Fastenzeit über wird die Kirche vom ersten Fastensonntag, 26. Februar, bis einschließlich Palmsonntag, 2. April, abends von 17 bis 21 Uhr in farbiges Licht getaucht. Dazu musizieren um 18 Uhr für eine halbe Stunde verschiedene Musikerinnen und Musiker im Kirchenraum.


Besondere Kreuzwegandachten an den Freitagabenden heben bestimmte Aspekte der „Dettinger Passion“ hervor: „Sturz, Rast und Grab“ beziehungsweise „Frauen am Weg Jesu“. Den Abschluss bildet am Palmsonntag ein Vortrag, der die Verbindungen zwischen dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald und Ewalds Dettinger Passion aufzeigt.


Zwei Ausstellungen sind geplant: Am 7. Mai 2023 wird der Kirchenschatz präsentiert. Gewänder, Gefäße und Figuren werden in der Kirche ausgestellt. Im Heimatmuseum zeigt der Geschichtsverein im Juli besondere Exponate, die mit der Kirche zu tun haben, beispielsweise ein Modell aus dem Deutschen Architekturmuseum und Gemälde Ewalds von privaten Leihgebern.


„Ein außergewöhnliches Lichtphänomen ist zur Zeit der Sommersonnenwende in der Kirche zu erleben. Die Mittagssonne fällt durch die kleinen Fenster im Obergaden in den Mittelgang und bildet dort einen Weg aus Licht“, erklärt Pfeifer. Eine Matinée am Samstag, 17. Juni begleitet dieses Phänomen.


Auch werden besondere Gottesdienste gefeiert. Am Patronatsfest am 29. Juni erklingt bei einer festlichen Wort-Gottes-Feier erstmals das „Dettinger Kyrie“, eine Auftragskomposition von Thomas Gabriel aus Seligenstadt. Ihr eigentliches Kirchweihfest begeht die Gemeinde am 2. Juli. Am Vorabend kommt die „Misa criolla“ im Rahmen eines Kirchenkonzerts zur Aufführung. Am 9. Juli feiert die Gemeinde ihr Pfarrfest. Dabei wird es auch ein Quiz im Kirchenraum geben. Zudem hat Claudia Metz eine digitale Schnitzeljagd durch die Kirche zusammengestellt. Mit derApp „Actionbound“ können nicht nur junge Leute spannende Entdeckungen machen.


Auch mehrere Vorträge sind aus Anlass des Jubiläums geplant. So spricht der Bibelwissenschaftler Professor em. Dr. Martin Ebner am 28. Juni über Petrus und Paulus als herausfordernde Kirchenpatrone. Im November kommt Benediktinerpater Dr. Anselm Grün nach Dettingen. Für Samstag, 21. Oktober, ist ein Symposium geplant, das sich mit Fragen rund um Kunst und Kirche der 1920er Jahre auseinandersetzt.

Das aktualisierte Jubiläumsprogramm findet sich im Internet unter www.dettingerpassion.de.