Er nimmt am Fischfang des Petrus teil und deutet ihm das Erscheinen des Auferstandenen mit den Worten: „Es ist der Herr!“ (Joh 21, 7) Ohne der wissenschaftlichen Auseinandersetzung folgen zu wollen, wer der „Lieblingsjünger“ eigentlich sei, vernehmen wir die Wahrnehmung der johanneischen Gemeinde selbst. Sie sah wohl in diesem Titel „den Jesus liebte“ eine Art Ehrenbezeichnung für den, dessen glaubwürdiges Zeugnis für den Auferstandenen die Gemeinde formte und aktivierte. In der Ostererzählung des Johannes hören wir vom Wettlauf zum leeren Grab: „Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und sie kamen zum Grab. Sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster zum Grab.“ (Joh 20, 3.4) Diese Stelle ist insofern interessant, weil sie die Spannung zwischen Amt und Charisma, zwischen Hierarchie und Liebesdienst in der Kirche anschaulich reflektiert. Petrus steht für das Amt, der „Lieblingsjünger“ aber für den persönlichen Dienst, der aus der mittelbaren Liebesbeziehung zu Jesus herrührt. Konstruieren wir daraus gerne einen Gegensatz? Dies wäre fatal für unser Leben als Christen, für die Kirche und auch für den wichtigen synodalen Weg, den wir jetzt gehen wollen. Wäre nicht vielmehr unser zutrauender Blick auf unser jeweiliges Gegenüber wichtig. Und sprechen wir ihm dann zu: „Du bist doch der Jünger oder die Jüngerin, die Jesus liebt.“ Wir würden damit eine verbindliche Größe in unserem Nächsten finden. Und welche Größe läge dann auch in mir, den Jesus liebt.
Martin Heim
Dekan Aschaffenburg