Bedürftigkeit gilt als Makel. Die eigene Kraft zählt – ehrlich gesagt auch bei mir selber. Ich bin lieber stark und leistungsfähig, als schwach und bedürftig. Hilfe anzunehmen, fällt mir oft schwer. Und dabei hat das doch etwas zutiefst Charmantes, dieses freundliche Zusammenspiel von Hilfsangebot und Annahme. Gott jedenfalls ist so charmant, uns ständig einen schönen Platz an seinem gedeckten Tisch bereitzuhalten, uns den Becher voll einzuschenken, uns Begleitung und Schutz, Trost und Hilfe anzubieten. Er will uns bedienen und krönen, adeln und salben wie eine Königin. So bekennt es eine Person im wohl bekanntesten Psalm der Bibel, im Psalm 23. Darin ist mit keinem Wort die Rede von eigener Kraft und Leistungsfähigkeit, sondern nur von Gottes Rundumversorgung - "Tischleindeckdich" und "Kopfmassage" inklusive (Wilfried Engemann). Wir dürfen von Gott einfach nur annehmen, ohne uns den Kopf darüber zu zerbrechen, was es kostet, und ohne peinlich berührt darüber zu sein, wie bedürftig wir doch im Letzten immer sind unter unserer leistungsstarken Oberfläche. In der Regionalbahn hat sich übrigens bei mir der Charme durchgesetzt und ich habe den angebotenen Sitzplatz gerne angenommen.
Einen wonnigen Monat Mai unter Gottes Segen wünscht Ihnen
Eva Güther-Fontaine, Pfarrerin in Alzenau