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Bahnbrechend

Wer von Aschaffenburg auf den Spessart zufährt, gerät früher oder später in den Bannkreis der Autobahn-Großbaustelle. Von Hösbach bis hinter Waldaschaff gleicht die Umgebung der A3 stellenweise einer Mondlandschaft: Hänge werden abgetragen, Gestein weggesprengt, Massen von Erdreich und Steinen weggefahren ...

Fasziniert und auch mit Schrecken kann ich nun schon jahrelang diese ungeheuren Erdbewegungen beobachten. Was für ein Aufwand! Und wofür das alles? Damit der Verkehr besser fließen kann, Menschen und vor allem Waren zügiger von einem Ort zum anderen gelangen. Zeit ist Geld, Infrastruktur und Verkehrsanbindung sind wichtige Standortfaktoren.

Diese Bilder habe ich vor Augen, wenn ich in der Bibel lese: „Bahnt für Gott einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig, werde eben.“ Jesaja, der Prophet im Exil, sieht dabei auch schon so etwas wie einen Triumphzug vor sich. Das Volk Israel wird nach Jerusalem zurückkehren können, nach all den Jahren! Und Gott wird mit ihnen gehen – mit Glanz und Pracht wie ein siegreicher Feldherr, aber zugleich wie ein Schäfer, der seinen Schritt behutsam den trächtigen Mutterschafen und Lämmern anpasst und sie sogar auf der Hüfte trägt, wenn sie nicht mehr mithalten können. Dafür braucht es ein Straßenbauprojekt der Superlative: einen Weg durch die Wüste, eine ebene Straße durch Berg und Tal – damit Gott kommen kann, und damit Menschen heimkommen können, endlich nach Hause, endlich dahin, wo ihr Herz hingehört. 

Diese Sehnsuchts-Bilder berühren mich. Auch mein Herz möchte heimkommen, jetzt im Advent; möchte, dass Gott mit seinem Glanz, mit seiner liebevollen Sorge zu mir kommt und mich an die Hand nimmt, damit wir gemeinsam gehen. Aber was den Weg behindert, ist nicht die lebensbedrohliche Leere der Wüste, sondern eher der Dschungel aus Terminen, Pflichten und Verabredungen, der mich umzingelt, gerade jetzt in diesen Wochen. Wie ein undurchdringlicher Urwald, durch den ich erst einmal eine Schneise schlagen muss, damit ein Weg frei wird. Dabei muss es ja keine Prachtstraße und kein Triumphzug sein! Ein Pfad, schmal vielleicht nur, auf dem Gott zu mir kommen kann, mir begegnen kann, er kommt ja doch zu Fuß. Ja, das wäre gut!

 

Also spucke ich in die Hände und mache mich an das Projekt „Straßenbau Advent“. Zuerst das Dickicht aus Terminen und Verpflichtungen ausdünnen: Zu welcher Weihnachtsfeier gehe ich diesmal nicht hin? Was kann bei den vorweihnachtlichen Putz- und Backaktionen auch wegbleiben, ohne dass der Himmel einstürzt? Welche Geschenke sind eigentlich nicht wirklich sinnvoll? Der nächste Bauabschnitt schafft bewusst Platz für das, was meinem Herzen Atem und Freiraum schenkt: Jeden Tag einen Moment der Stille beim Adventskranz. Ein Adventskalender mit guten Gedanken. Ein unspektakulärer Besuch bei einem Menschen, der das vielleicht gar nicht erwartet. Oder mal einen Tag ganz wegfahren und sich bewusst ausklinken aus der Hektik. Das muss fast so gut geplant werden wie der Bau einer sechsspurigen Autobahn! Aber es schlägt eine Schneise und bahnt einen Weg. Für mein Herz und für Gott. Damit er kommen kann. Zu mir.

 

Dr. Ursula Silber ist Bildungsreferentin in Schmerlenbach