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Auf den Spuren der Apostel

Wie wird man eigentlich Apostel? In der Muttergottespfarrei in Aschaffenburg ist diese Frage ganz einfach zu beantworten: man wird angesprochen und dann ist man dabei. Seit den fünfziger Jahren gibt es in der von den Aschaffenburgern liebevoll als „die Pfarrkirche“ bezeichneten Gemeinde den Brauch, dass 12 Männer die Gottesdienste ab Palmsonntag bis zum Gottesdienst am Ostermorgen begleiten und liturgische Aufgaben übernehmen.

In weiße Alben gekleidet sollen sie die Gemeinde an die Jünger Jesu erinnern, die mit ihrem Herrn vom Einzug in Jerusalem über die Kreuzigung bis zur Auferstehung mitgegangen sind.

Dieser Brauch geht zurück auf das Jahr 1955. Der damalige Pfarrverweser Martin Fleckenstein war inspiriert von der sogenannten „Kleinen Liturgiereform“, die Papst Pius XII im Jahr 1951 durchgeführt hatte. Bestandteil dieser Reform war unter anderem die Neuordnung der Liturgie in der Karwoche. Für Pfarrer i.R. Edwin Bauer war es keine Frage, dass er bei seinem Dienstantritt 1977 die Aposteltradition übernahm. „Die 12 Männer sind für die Gemeinde ein Hinweis darauf, dass Jesus seine letzten Tage auf Erden nicht alleine, sondern im Kreis der Apostel erlebt hat“, umschreibt der bis 2005 für die Seelsorge in der Muttergottespfarrei zuständige Priester die Funktion dieses Dienstes.

Ab dem Palmsonntag begleiten die Apostel die Liturgie. Sie sind bei der Palmprozession vom Schloss Johannisburg in die Pfarrkirche dabei, ihnen werden am Gründonnerstag die Füße gewaschen, am Karfreitag beginnen sie mit der Kreuzverehrung, am Ostermorgen verteilen sie das Osterlicht an die versammelte Gemeinde. Das Vortragen der Lesungen und der Passionsgeschichte, das Singen der Antwortgesänge und der Psalmen gehören auch zu ihren Aufgaben. Klar, das am Ende dieser einsatzreichen Woche ein wenig Doping nicht schadet: „Am Ostermorgen bringt jemand immer eine Packung Emser Pastillen mit, dass gibt unserem Gesang dann noch mal den letzten Schliff“, erzählt Michael Bär. Gäbe es eine Rollenzuweisung, dann würde er wohl den Petrus darstellen, denn seit einigen Jahren koordiniert er den Dienst in Zusammenarbeit mit Pfarrer Bauer. Seine Berufungsgeschichte ist ganz klassisch: von der Ministranten- und Jugendarbeit ging es für ihn unmittelbar in den Aposteldienst über. Beim jetzigen Pfarrgemeinderatsvorsitzende Alfons Gerhard war es eher ein sehr plötzliches Berufungserlebnis, vielleicht vergleichbar mit der Berufung des Paulus in die Apostelschar. Als nämlich am Gründonnerstag einer der eingeteilten Männer fehlte, hieß es plötzlich: „Alfons, zieh dir das Gewand an, du bist jetzt Apostel“. Und das ist er geblieben, inzwischen seit über 40 Jahren.

Die Aufgabe verstehen die Männer als einen Ehrendienst und bislang war es auch kein Problem, das Dutzend zu füllen. Das Eintrittsalter ist 16 Jahre, vom Auszubildenden über den Bäckermeister, den Standesbeamten bis zum Ingenieur findet sich eine Gruppe zusammen, die sicher ähnlich bunt zusammen gewürfelt ist wie die Jüngerschar zur Zeit Jesu. Voraussetzungen für den Dienst sind Zuverlässigkeit, eine kräftige Stimme und: man muss ein Mann sein. Dass es sich bei den Aposteln um eine reine Männergesellschaft handelt, wird biblisch begründet. Aber ganz ohne die Frauen geht es doch nicht. So spricht Pfarrer Bauer spricht heute noch voller Dankbarkeit von der ehemaligen Pfarrsekretärin Magdalena Holzmann. Sie hatte sich über Jahrzehnte um den Dienst gekümmert und den Aposteln beim Anziehen geholfen.

Aus dem Gemeindeleben ist der Apostelbrauch nach über 50 Jahren nicht mehr wegzudenken. Das vor allem die Kinder sich von den Männern in den weißen Gewändern beeindruckt zeigen, konnte Pfarrer Bauer einmal im Religionsunterricht erfahren. Als er in der dritten Klasse die Apostel durchnahm, meldete sich ein Schüler und behauptete ganz ernst, sein Vater sei ein Apostel. Nach kurzem Erstaunen löste sich das Rätsel: der Junge kam aus der Muttergottespfarrei und sein Vater gehörte zum Kreis der 12 Männer.