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Au Backe

Au Backe, alles was recht ist! Das kann doch wohl nur eine Empfehlung für Übermütige oder Verrückte sein! Das Evangelium dieses Sonntags ist ein Auszug aus der Bergpredigt Jesu: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“ Wie um Himmels Willen soll ich Jesus da verstehen?

Es ist hilfreich, mit den Ohren der damaligen Zuhörer die Spitze dieser provozierenden Worte zu hören. Jesus beschreibt absichtlich einen Schlag auf die rechte Wange. In diesem Fall muss der gegenüberstehende Angreifer mit dem Handrücken seiner rechten Hand hingelangt haben. Ein solcher Backenstreich galt damals aber nicht als Körperverletzung, sondern als Beleidigung! Jesus sagt damit, dass schon auf der Ebene der verletzten Ehre nicht mit gleicher Münze heimgezahlt werden soll. Denn die Spirale der Gewalt dreht sich sonst immer weiter.

Sklaven und Untergebene mussten damals diese Schläge über sich ergehen lassen. Die andere, also die linke Wange hinhalten, ist eine Zu-Mutung Jesu. Er will Mut machen: Bleibe nicht in der Rolle des Opfers oder Befehlsempfängers. Stelle dich auf die gleiche Ebene mit dem Gegner. Verblüffe ihn mit einem Verhalten, das er nicht erwartet. Überwinde deine Angst. Nur wenn du dieses Risiko eingehst, kann dem Gewalttätigen sein Unrecht bewusst werden. Setze seine Spielregeln, nach denen es Herren und Knechte gibt, außer Kraft. Zeige deine Würde mit erhobenem Haupt.

Die Kamelreiter und die Schlägertruppen Präsident Mubaraks haben das Spiel der Gewalt und Angstmache in den letzten Wochen probiert. Sie sind gescheitert, weil die Menschen auf der Straße nicht bereit waren, sich ihre neu gewonnene Würde nehmen zu lassen. Die zum Eingreifen bereitstehenden Soldaten wurden mit Rosen beschenkt. Ein Ruf lautete: „Hebt euer Haupt, denn ihr seid Ägypter!“ Mit jedem neuen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz bröckelte der Machtapparat der herrschenden Clique. Die durch die neuen Medien vernetzten jungen Demonstranten und ihr Schrei nach Freiheit waren stärker als die jahrzehntelange Vernetzung von Angstmache und Überwachung.

Wir Deutsche blicken in die eigene Geschichte. Die DDR-Machhaber hatten mit allem gerechnet, nicht aber mit Kerzen und Gebeten. Ein paar wenige Christen, Wut- und Mutbürger, die zu den Montagsgebeten zusammenkamen, steckten in wenigen Wochen Hunderttausende an. Der Ruf „Wir sind das Volk“ riss die Mauer ein.

Die linke Backe, das ist das Hinhalten der eigenen Würde, die Überwindung der Angst, der Mut der Verzweiflung, die Verblüffung für die Machthaber, für Christen und Muslime die verrückte Hoffnung, dass gegen die Freiheit der Kinder Gottes kein Kraut gewachsen ist. Wer in die jubelnden Gesichter der tanzenden Menschen in Kairo und Berlin geblickt hat, kann erahnen: Jesus ist nicht weltfremd. Seine provozierenden Worte wollen weltverändernd wirken.

Das wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser: „Au Backe!“ - ein Ausruf, der Ihnen Mut macht, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, in der alle in Würde leben können.


Burkhard Fecher, Gemünden
Pastoralreferent; Ehe-, Familien- und Lebensberater