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Alles nur Ouboum?

Allmählich werden die Tage länger und die Abende heller - doch noch ist die Zeit für Kerzenlicht, gute Musik und ein schönes Buch. Ich lasse die Kälte vor der Tür und versinke in das Indien der Kolonialzeit... Gerade sind die Reisenden in meinem Buch in den geheimnisumwobenen Marabar-Grotten angekommen -

just in dem Moment, in dem sie sich fragen, was denn eigentlich so spannend an diesen gleichförmigen, schmucklosen Höhlen sein soll, geraten sie in Verwirrung, Panik und Angst - denn mitten im Inneren der Grotte gibt es keinen Laut außer einem sehr eigenwilligen Echo: „Was immer hier in der Grotte an Worten geäußert wird, schlägt als das gleiche eintönige Geräusch auf den Sprecher zurück und zuckt an den Wänden auf und nieder, bis es sich in der Decke verliert. „Boum“ ist der Laut , oder „o-u-bo-um“ unsagbar eintönig. Ein Wort der Höflichkeit, ein Nasenschneuzer, ein Wort der Hoffnung, das Knirschen eines Stiefels - alles ruft den gleichen Laut „bo-um“ hervor. Ob man an jener Stätte etwas Unflätiges geäußert oder erhabene Verse zitiert hätte: Die Reaktion wäre stets die Gleiche gewesen: o-u-bo-um.“: Ich lege den Roman :„Auf der Suche nach Indien“ von E.M. Forster beiseite und komme ins Grübeln.
Ich stelle mir vor, die ganze Welt wäre eine einzige Marabar-Grotte, in der alles, was ich von mir gebe, sogleich umgeformt wird in ein immer Gleiches, völlig Sinnloses „Ouboum“. Alles endet in diesem einen Laut, kehrt völlig sinnentleert wieder zum Ursprung zurück. Folge: Nur Verwirrung, Verstörung ?! Nur neue Fragen ? Nur Ungewisses oder schlimmer noch : Immer Gleiches ? Irgendwie passen diese düsteren Gedanken in die Jahreszeit , in der man durch den Winter geschwächt und energielos geworden ist, in der man sich sehnt nach Sonne, Klarheit , Licht. Aber eigentlich - bei Licht betrachtet - ist die Idee vom ewigen „Boum“ gar nicht so deprimierend. Steckt in der scheinbaren Sinnlosigkeit nicht auch etwas Befreiendes ? Ich meine fast, es ist ein bisschen so, als lächelte Gott selbst uns in diesem sinnlosen Laut zu. Es könnte doch sein, dass Gott uns durch diesen kleinen schöpferischen Unsinn die Gelegenheit schenkt, ein wenig auszuruhen von unserer Wichtigtuerei, ein Atemholen in einer Oase der göttlichen Unbekümmertheit.
Als Berufsanfängerin erstarrte ich immer in Ehrfurcht vor den Personen, von denen erzählt wurde, sie „hätten richtig viel aufgebaut, die ganze Jugendarbeit neu organisiert, richtig viel bewegt, usw.“ Ich wollte gerne auch so jemand werden. Im Laufe der Zeit habe ich jedoch festgestellt, dass kein Einzelner „richtig viel aufbauen“ und auch nicht „richtig viel zerstören“ kann. Das Echo liegt nicht in unserer Hand. Bo-uo-um!
Die Besucher der Marabar-Grotten im Roman kommen verändert zurück. Nichts ist mehr so, wie es vorher war. Die freundliche, immer gütige alte Dame wird auf einmal unbequem und eigensinnig und die sachliche und sehr britisch-beherrschte junge Frau wird von seltsamen Halluzinationen befallen. Zunächst entstehen daraus dramatische Verwicklungen, eine bedrohliche Krise, die das Zusammenleben von Europäern und Indern gefährdet.
Jedoch: Aus der Verwirrung der Besucher und dem darauf folgenden Chaos entsteht am Ende Klarheit und Wahrhaftigkeit, so will es der Roman. Und im richtigen Leben ? Im kalten Westen ? Bei uns werden die Tage jetzt wieder länger, die Abende heller. In vorchristlicher Zeit feierte man um diese Jahreszeit den „Sonnensprung“, ein Fest des Lichtes. Die Christen haben die besonderen Schwingungen, den Wendepunkt in dieser wackligen Zeit ebenfalls erkannt. Noch heute feiern wir 40 Tage nach Weihnachten das Fest „Lichtmess“ und bekennen dabei unseren Glauben an Jesus als Licht der Welt.
Jesus, der unserer Welt geschenkt wurde ohne unser Zutun, in der Mitte der Nacht. Im Buch der Weisheit heißt es dazu : „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel...“(Weish, 18,14)
Ich glaube dass dieses Wort Bestand hat, dass es machtvoll genug ist , um selbst in den geheimnisvollen Marabar-Grotten seinen Sinn zu behalten. Ein Wort, das Macht hat, Sinnlosigkeit, Wichtigtuerei und Versagensängste zu bannen: Das ist Lichtmess, Darstellung des Herrn.

Eva Meder-Thünemann