„Alles gut“ kann zu einem Antreiber werden, der mich diese Schätze übersehen lässt. „Alles gut“ kann auch eine überhöhte Erwartung produzieren, die ich gar nicht erfüllen kann. Die Schönheit des Lebens und auch die Lebensfreude liegt für mich nicht im vollkommenen Gelingen.
Ich wünsche mir eigentlich schon seit meiner Jugend, dass ich in Freiheit und Verantwortung gut leben kann. Damit verbinde ich eine gewisse Souveränität im Leben. Diese Souveränität spüre ich dann immer besonders intensiv, wenn ich mit der Brüchigkeit und Verletzlichkeit gut umgehen kann und darin die Qualität bzw. die Fülle des Lebens entdecken und genießen kann.
Es geht mir dabei nicht um eine falsche Genügsamkeit. Freiheit und Verantwortung sind keine billigen Ansprüche an das Leben. Jeder muss sich fragen lassen, was er zu einer humanen Welt beiträgt. Humanität beinhaltet aber auch die Akzeptanz der eigenen Grenzen, letztlich der eigenen Bedürftigkeit, und damit gut umzugehen.
Wo und wie kommt hier Gott ins Spiel? Als Christ schaue ich auf Jesus. In ihm zeigt sich ein Gott, der mir keine theoretischen Antworten gibt. Er fordert mich auf, die Wege des Menschseins zu gehen: Freude und Hoffnung, aber auch Trauer und Angst sind die Wege Gottes, die er mit uns geht. Auf diese existenziellen Erfahrungen in ihren Höhen und Tiefen sich einzulassen, das ist die Herausforderung für suchende Menschen. Auf dieser suchenden Grundhaltung – die alles andere als selbstzufrieden ist – liegt die Zusage: Mit deiner Bedürftigkeit und Brüchigkeit, mit dem was Du kannst, aber auch nicht kannst. Auch wenn nicht alles gut ist: Du darfst sein! Daraus erwächst eine immense Kraft.
Mit dieser Erfahrung ist nicht „alles gut“ - aber viel gewonnen, oder?
Dr. Peter Müller
Fachakademiedirektor