Mit dem Rollator ging es wieder nach Hause. Meine Oma war eine fröhliche Frau, ich erinnere mich an lustige Mensch-ärgere-Dich-nicht-Nachmittage bei ihr. Ich glaube, sie hatte ihre Form des Abschieds gefunden. Ihre Form, mit dem Tod ihres Mannes zu leben, indem sie sich immer mal wieder zu ihm setzte und sich dann wieder ihrem Leben widmete. Am Sonntag feiern wir den Ewigkeitssonntag in unseren Kirchen. Da denken wir an die Verstorbenen des letzten Kirchenjahres und zünden Kerzen an für unsere Lieben. Es gibt viele Rituale, die uns helfen im Abschied: Feste Zeiten an jemanden zu denken. Ein Licht zu entzünden, im Fotoalbum zu blättern, mit anderen zusammenzusitzen und zu erzählen. Um dann wieder aufzustehen und sich dem Leben zuzuwenden. Ich glaube, das kann uns helfen, die Toten nicht zu vergessen und gleichzeitig sie auch loszulassen. Neue Wege ins Leben zu gehen. Sich „zu ihnen zu setzen“ und sich dann wieder aufzumachen in das Eigene. Die Bibel erzählt uns vom Propheten Eliah: Als er sich von seinem Leben überfordert fühlte, mochte er nicht mehr. Er suchte sich einen einsamen Ort und setzte sich unter einen Ginsterstrauch, so heißt es. Da blieb er einfach sitzen in all seinem Schmerz und schlief ein. „Aber ein Engel kam, der weckte ihn und sagte: Steh auf und iss! Du hast einen weiten Weg vor Dir!“ Und Eliah stand auf und machte sich wieder auf – in sein Leben, so erzählt die Geschichte. Daran muss ich manchmal denken, wenn ich nun auf der kleinen Bank auf dem Grab meiner Großeltern sitze, an sie denke und mich dann wieder aufmache. In mein Leben.
Judith Haar-Geißlinger, evangelische Pfarrerin in Kleinheubach