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Kreuzwort

Stachelpanzer

Ich habe Freude an dem Esskastanienbaum auf unserem Kirchengelände. In seinem Schatten haben wir in diesem Sommer mit der Gemeinde so manches Mal gesessen und gefeiert. Jetzt im Herbst beschenkt er uns mit seinen Früchten. Im großen Rund liegen sie auf der Wiese unter der Baumkrone. Wie schön sie doch aussehen, diese tiefbraunen Esskastanien! Zärtlich wie Handschmeichler liegen sie in der Hand. In ihnen stecken Kraft und neues Leben. Geröstet sind sie eine Köstlichkeit.

Neben ihnen liegen die stacheligen Hüllen, in denen sie verborgen waren und die dann irgendwann aufgebrochen sind, um ihren köstlichen Schatz freizugeben. Auch geschlossene Hüllen finden sich dort auf der Wiese, stachelige Kugeln, dicht und fest. Mit der bloßen Hand sind sie kaum zu fassen, geschweige denn zu öffnen. Die Stacheln dringen schmerzhaft in die Haut: Ein regelrechter Stachelpanzer, nur mit der Kneifzange (oder einem robusten Gartenhandschuh) anzufassen. Es gibt Tage, da ist mein Gemüt von einem solchen Stachelpanzer umgeben. Da bin ich nicht gut zugänglich für andere, für ihren Kontakt, ihre Gespräche oder Zuneigung. Ich wirke abwehrend und verletzend – Stachelpanzer eben. Ich mag mich dann selber nicht leiden – aber das hilft auch nicht weiter. Wer kann den Panzer öffnen, wenn das so ist? Wer kann dafür sorgen, dass der zärtliche, wertvolle Kern zum Vorschein kommt mit seiner Lebendigkeit und seiner Kraft? Es ist eine wunderbare Erfahrung, wenn man dann erlebt, dass Menschen dennoch „dranbleiben“ an mir und mich nicht aufgeben, weil sie wissen, was eigentlich in diesem Stachelpanzer an Schönem und Liebenswertem verborgen ist. Bei diesen Menschen scheint dann etwas durch von Gottes Liebe, mit der er jeden Stachelpanzer durchschaut und von der wir allezeit aufgehoben und umfangen sind. Dennoch bleibt die Sehnsucht bei mir, dass Gott die Stachelpanzer doch endlich und ein für allemal aufbrechen möge: meine persönlichen ebenso wie all die Stachelpanzer in der Welt, die zu Gewalt und Krieg führen. Ich will nicht aufhören, ihn zu bitten, sie aufzubrechen. Ich will ihn um Frieden bitten – für die Welt und für mein Gemüt.

Evangelisch-Lutherische Pfarrerin Eva Güther-Fontaine, Alzenau